«Time-out»Wenn der Goalie nicht gut genug ist
Selten war eine Analyse eines drohenden Scheiterns so einfach wie beim SC Bern. Torhüter Marco Bührer (31) war bisher im Halbfinale gegen die Kloten Flyers nicht gut genug.
- von
- Klaus Zaugg

Marco Bührer «schenkte» Kloten die ersten beiden Siege.
Für das, was die Berner am besten können, haben die Nordamerikaner ein Wort kreiert: «to grind». Wörtlich übersetzt: «schleifen». Der SC Bern kann ein gegnerisches Team so schleifen wie Angreifer eine Festungsanlage.
So ist der SC Bern 1989, 1991, 1992, 1997, 2004 und 2010 Meister geworden. So könnte er eigentlich auch 2011 Meister werden. Die Langnauer sind im Viertelfinale im besten Sinne des Wortes «geschleift», vom Eis gearbeitet worden. Aber gegen die Kloten Flyers klappt es nicht.
Ursachenforschung ist einfach
Was ist schief gelaufen? Die falsche Taktik? Ein zu starker, ganz einfach unbesiegbarer Gegner?
Nein. Wenn der SCB in diesem Halbfinale gegen ein starkes Kloten scheitern sollte, dann wird die Ursachenforschung einfach und ungerecht sein: Torhüter Marco Bührer war nicht gut genug.
Das mag eine gar simple Analyse sein. Oder meinetwegen auch Polemik. Doch es ist, wie es ist. Weil es dem SCB-Sportchef nicht gelungen ist, Roman Josi, den wichtigsten, weil kreativsten Spieler des Meisterteams 2010 zu ersetzen, ist der SCB mehr denn je ein «Grinder-Team». Der neue Kanadier Joel Kwiatkowski, eigentlich dazu ausersehen, Josi an der blauen Linie zu ersetzen, ist eine Nullnummer und in wichtigen Spielen überfordert. Aber das nur nebenbei. Wir wollen nicht vom Thema abkommen.
SCB zu langsam für Kloten oder Davos
Was wegen der fehlenden Kreativität und Dynamik an der blauen Linie bleibt, ist eine durchaus hart arbeitende und gut gecoachte Mannschaft. Aber eben: Es ist eine Mannschaft ohne offensiven Glamour. Die Berner können nicht so schnell und präzis spielen wie Davos oder die Kloten Flyers. Sie müssen «grinden». Rumpeln. Das kann funktionieren. Gerade der SCB hat es ja schon so oft bewiesen. Und auch in der NHL kennen wir eine ganze Reihe von Teams, die mit dem gleichen Layout wie der SCB den Stanley Cup geholt haben.
Aber der Schlüssel ist bei solchen Mannschaften immer eine erstklassige Torhüterleistung. Es braucht nicht einen guten, sondern ein grossen Torhüter. Nur 2010 hat es dem SCB mit durchschnittlichen Leistungen von Marco Bührer zum Titel gereicht.
Kritik am Goalie ist in Bern tabu
Aber die SCB-Ausgabe Frühjahr 2011 hat bei aller Wasserverdrängung und Kampfkraft grosse Mühe, mehr als drei Tore pro Spiel gegen einen Gegner zu erarbeiten, der so tempofest, so gut organisiert, so geschickt gecoacht und von einem so starken Torhüter abgesichert wird wie die Kloten Flyers. Kommt dazu, dass Rumpel-Mannschaften tendenziell eher mehr Strafen kassieren als Lauf- und Tempoteams. Und die Berner leisten sich zu viele Fehler. Also braucht es hinten einen Goalie, der auch unter schwierigen Verhältnissen nicht mehr als zwei Tore zulässt. Einen grossen Goalie eben. So einfach und so ungerecht ist das. Ungerecht, weil beim Torhüter alle Fehler und Undiszipliniertheiten der Vorderleute aufgerechnet werden.
Mit seinen Fehlgriffen hat Marco Bührer das erste und noch viel mehr das zweite Spiel entschieden: Er «schenkte» den Kloten Flyers im ersten Spiel das entscheidende 1:3 (Schlussresultat 1:4) in einer Phase, in der die Berner dominierten und im zweiten Spiel das fatale 2:2 (2:3 n.V), das die Klotener in die Verlängerung rettete. Oder, um es etwas gnädiger zu formulieren: Er hat es verpasst, diese Spiele für den SCB zu gewinnen. Wir können uns alle «hätte» und «sollte» und «müsste» und «könnte» sparen. Jede Diskussion, ob denn nicht Ryan Gardner fleissiger oder Marc Reichert bissiger oder Christian Dubé effizienter oder Travis Roche besser sein sollte, endet bei den zwei haltbaren Toren von Marco Bührer in der ersten und zweiten Partie. Und den fehlenden «big saves» in der dritten Partie. Und der nüchternen Feststellung, dass der coole Blocker Ronnie Rüeger in dieser Serie bisher der klar bessere Torhüter war. Offiziell darf in Bern keiner so reden. Bührer steht noch zwei weitere Jahre (bis 2013 plus Option) unter Vertrag. Kritik am Goalie ist tabu.
SCB noch nicht geschlagen
0:3 im Halbfinale gegen die Kloten Flyers darf für ein Eishockey-Unternehmen mit dem Selbstverständnis, den Ansprüchen, dem Geld und der Arroganz des SC Bern keine Vorentscheidung sein. Vielmehr ist es die ultimative Herausforderung, das unmöglich Scheinende noch zu schaffen und eine Wende zu erzwingen. Bis auf den Torhüter hat Cheftrainer Larry Huras alles, damit zum vierten Mal in der Geschichte unserer Playoffs aus einem 0:3 ein 4:3 wird. Und einen Vertrag für nächste Saison ja auch schon. Für Marco Bührer ist es die Chance zur Rehabilitation. Die Möglichkeit, doch noch Spiele für den SCB zu gewinnen.
Achtung, jetzt noch ein paar Zeilen Polemik: Ein 0:4 oder 1:4 gegen die Kloten Flyers wäre für den SC Bern mindestens so schmählich zu werten wie die Erstrundenpleiten als Qualifikationssieger von 2006, 2008 und 2009. 2006 gingen der Sportchef und der Trainer, 2008 wurden die Leitwölfe Martin Steinegger und Sébastien Bordeleau aussortiert, 2009 musste wieder der Trainer gehen. Sollte der SCB 2011 scheitern, so ist es ein Glück für SCB-General Marc Lüthi, dass Christian Dubé den SCB freiwillig verlässt. So muss er kein Exempel statuieren. Ende der Polemik.