Zu wenig Nahrung: Wenn Kraniche in den Süden fliehen

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Zu wenig NahrungWenn Kraniche in den Süden fliehen

Der Herbstzug der Kraniche hat begonnen. Doch deutsche Naturschützer sind alarmiert: Die Zahl der Jungtiere sinkt - auch deswegen, weil immer mehr Raps und Mais angebaut wird.

Rund 5000 Kraniche aus Skandinavien legten auf ihrem Herbstzug in den warmen Süden bereits Rast an der nordostdeutschen Ostseeküste ein. Das Kranichinformationszentrum in Gross Mohrdorf in Vorpommern-Rügen erwartet in den kommenden Tagen weitere «Vögel des Glücks».

Wenn der Wind aus Norden komme, könne die Zahl der dort rastenden Tiere schnell ansteigen, sagte der Leiter des Kranichinformationszentrums, Günter Nowald. Der Höhepunkt des Herbstzuges wird in der ersten Oktoberhälfte mit 40'000 bis 70'000 zeitgleich rastenden Tieren erwartet. Die vorpommersche Ostseeküste ist eines der grössten Kranichrastgebiete in Zentraleuropa.

Überschattet wird das Naturschauspiel von neuen Untersuchungen, in denen Ornithologen einen Rückgang der Jungtierzahlen um rund 50 Prozent festgestellt haben. In den untersuchten Kranichgruppen betrage der Anteil der Jungvögel nur fünf Prozent aller Tiere. Damit setze sich ein Trend der vergangenen drei Jahre fort, sagte Nowald. Normal sei ein Anteil von zehn Prozent Jungtieren in Kranichgruppen.

Hochwasser und Landwirtschaft

Die Ursachen für den Rückgang der Reproduktionsraten sehen die Forscher zum einen im diesjährigen Frühjahrshochwasser. Eier seien weggeschwemmt worden und Küken verhungert. «Das war kein glückliches Reproduktionsjahr.» Langfristig machen die Forscher aber die radikal veränderte Agrarlandschaft mit zunehmender Mais- und Rapsbewirtschaftung für diesen Trend verantwortlich.

«Für den Nahrungserwerb während der Jungenaufzucht stehen immer weniger geeignete Lebensräume zur Verfügung», sagte Nowald. Im Juni und Juli würden Rapsfelder von Kranichfamilien vollständig gemieden, da die Vögel die dichten und miteinander verfilzten Rapspflanzen nicht durchdringen könnten.

Wenn zudem der Brutplatz von Rapsfeldern umgeben sei, sei eine Aufzucht fast ausgeschlossen. Auch durch den verstärkten Silomaisanbau fehlten geeignete naturnahe Brachen.

Setze sich der Trend fort, könnte die positive Bestandsentwicklung in einen negativen Trend umkippen. Auf der westeuropäischen Zugroute von Skandinavien und Russland nach Frankreich und Spanien werden inzwischen rund 300'000 Kraniche gezählt. Vor zehn Jahren waren es erst 150'000.

Forscher vermuten, dass die «Westdrift» der Tiere mit der schlechten Nahrungsverfügbarkeit in Russland zusammenhängt. Viele Felder lägen dort brach und seien mit Büschen zugewachsen. (sda)

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