SBB streicht Extrazug«Wenn nötig, würden wir einschreiten»
Die Attacke auf das SBB-Personal war einer der gravierendsten Vorfälle der letzten Jahre in Sachen Extrazüge. Welche Konsequenzen hat das für GC und das Spiel in Thun?
Verteilen sich die GC-Fans für die Fahrt nach Thun auf normale Züge oder muss GC am Sonntag ganz auf eigene Fans verzichten? Diese und viele andere Fragen wirft einer der gravierendsten Vorfälle in Sachen Extrazüge der letzten Jahre auf.
Was ist passiert? Laut einem SBB-Communiqué kam es letzten Samstag zu «massiven gewalttätigen Übergriffen und physischen Attacken» gegen das Zugpersonal sowie gegen Mitarbeiter der Transportpolizei. Die Bedrohung, die von einer Gruppe von acht bis zehn Vermummten ausging, war so gross, dass sich die SBB-Angestellten ins hinterste Abteil zurückziehen und dort die Türe verbarrikadieren mussten. Fans versuchten daraufhin, die Tür einzuschlagen. Zwischen Chavornay und Essert-Pittet im Kanton Waadt zog das Zugpersonal die Notbremse und flüchtete mit dem Lokomotivführer aus dem Zug.
Eine Frage hat die SBB bereits beantwortet: In Absprache mit den Fankontaktpersonen hat die Schweizerische Bundesbahn beschlossen, dass an den kommenden Wochenenden kein Extrazug für Fahrten zu Auswärtsspielen der Hoppers zur Verfügung stehen. Auch nicht am Sonntag ins Berner Oberland.
Von einer Reise abhalten kann die SBB die Fans jedoch nicht. «Fussballfans sind normale Kunden, die ein Billett lösen und in jeden Zug steigen können. 99 Prozent der Fans sind in friedlicher Absicht unterwegs, mit dem Ziel, sich ein Fussballspiel anzuschauen», sagt SBB-Mediensprecher Stephan Wehrle gegenüber 20 Minuten.
Treffen mit Vertretern aus der Kurve
GC-CEO Manuel Huber traf sich letzten Montag mit Vertretern aus der Kurve. In einem über vierstündigen Treffen wurde das Thema breit diskutiert. Daraufhin drückte die GC-Fanszene am Dienstag ihr Bedauern auf ihrer Webseite aus. Der Vorfall zeige, dass es nicht immer gelinge, «auf das Handeln aller anwesenden Fans Einfluss zu nehmen». Solange keine Klarheit herrsche und der Vorfall nicht aufgearbeitet sei, wolle man die Dienstleistungen der SBB aber nicht in Anspruch nehmen. «Als Konsequenz und als Zeichen gegenüber dem betroffenen Bahnpersonal verzichten wir auf die kommenden Extrazugfahrten nach Thun und Luzern», heisst es.
Die Mannschaft wird in Thun aber nicht ganz ohne Fan-Unterstützung auskommen müssen. Bei GC geht man davon aus, dass einige Fans mit Privatautos oder gemieteten Cars anreisen werden. Nicht verhindert werden kann, dass einige Anhänger dennoch den Zug benützen werden – halt eben einfach keinen Extrazug. «Wir sind nicht blauäugig und sagen, es wird nichts passieren. Wir werden selbstverständlich in Zürich für Züge in Richtung Thun sorgen und Personal vor Ort haben.Wenn Handlungsbedarf da wäre, würden wir einschreiten. Es gibt immer ein kleines Restrisiko», sagt Wehrle.
Die Vertreter aus der Kurve kritisieren derweil den ausgebliebenen Informationsfluss der SBB oder der Staatsanwaltschaft, der im Voraus zur Beruhigung der Lage beigetragen hätte und, wie mittlerweile bekannt, der eigentliche Auslöser für die Gewalt war.
Ohne Selbstregulierung geht es nicht
Die Kantonspolizei Basel-Stadt führte am 18. April bei der Auswärtsfahrt nach Basel während des Spiels im Auftrag der Staatsanwaltschaft eine Durchsuchung des Extrazugs durch. Als die Fans danach bemerkten, dass einige Gegenstände fehlten, beschuldigten die betroffenen Personen die SBB-Mitarbeiter. Die Eskalation im Extrazug von Lausanne war eine Folge davon, denn die Durchsuchung durch die Polizei wurde erst zwei Tage nach dem Eklat im Kanton Waadt bekannt.
GC hat die Übergriffe schon nach Bekanntwerden «in aller Deutlichkeit verurteilt» und nimmt die Gewalttäter nicht in Schutz. Dennoch ist man sich bei GC einig, dass es ohne Selbstregulierung unter den Fans keine Verbesserung der Situation geben kann, so Huber. Die Fan-Szene verspricht kritische Selbstreflexion, diese wünschen sich die Anhänger aber betreffend Transparenz auch von der SBB.
Beim FC Thun sieht man dem Besuch am Sonntag aus Zürich – nicht aus sportlicher Sicht – gelassen entgegen. Medienchef Niklaus Thomi sagte auf Anfrage: «Bei uns sind alle Fans willkommen, die sich sportlich und fair verhalten.»
Und das gilt nicht nur für Thun. (20 Minuten)