
Möchtest du bald mit deinem Partner oder deiner Partnerin zusammenziehen? Wir haben eine Paartherapeutin gefragt, wie es mit dem Zusammenwohnen am besten klappt.
Zusammenziehen«Wer sich ständig über Kleinigkeiten aufregt, sollte sich Hilfe holen»
Paartherapeutin Liz Denger verrät, worauf man achten muss, wenn man mit dem Partner oder der Partnerin zusammenziehen will. Und welche Verhaltensweisen gar nicht gehen.
- von
- Meret Steiger
Eine gemeinsame Wohnung ist für viele Beziehungen ein grosser Schritt – und ein Risiko. Schliesslich kann einem der oder die Liebste doch plötzlich auf die Nerven gehen, wenn man sich nicht nur Bett, sondern auch Badezimmer und Küche teilt. Wir haben mit Paartherapeutin Liz Denger gesprochen und gefragt, wie es mit dem Zusammenziehen klappt und welche Probleme auftreten können.
Über Liz Denger
Frau Denger, was sind die grössten Stolpersteine beim Zusammenziehen?
Es gibt gleich mehrere Herausforderungen: zu hohe Erwartungen, unsere Grundbedürfnisse nach Nähe und Verbundenheit versus Freiheit und Selbstverwirklichung. Viele Paare sind sich nicht bewusst, dass eine gut funktionierende Beziehung selten ein Selbstläufer ist, sondern eine Partnerschaft gehegt und gepflegt werden will. Wir investieren Zeit und Aufwand in unsere Gesundheit, Ausbildung, Karriere, Kindererziehung, Freunde – aber die eigene Beziehung soll ein Selbstläufer sein, in die man bitte keine extra Zeit investieren muss.

In eine gesunde Beziehung muss man Zeit und Aufwand investieren: «Eine gut funktionierende Beziehung ist selten ein Selbstläufer», sagt Liz Denger.
Was meinen Sie mit Nähe versus Freiheit?
Einen Teil der Freiheit gibt man auf, wenn man sich entscheidet zusammenzuziehen. Die Freizeitgestaltung ändert sich, es braucht Absprachen: Beispielsweise wie viele Abende das Paar gemeinsam verbringt, ob gemeinsam zu Abend gegessen wird und ob es diesbezüglich eine Rolle spielt, ob man auf die Minute genau wie abgemacht zu Hause eintrifft oder ob eine halbe oder ganze Stunde zu spät zu kommen auch okay ist. Es kann auch ein Problem sein, wenn sich nicht beide Partner gleichzeitig gleich viel Nähe wünschen.
Regeln und Absprachen könnten also Streit verhindern?
Ja, definitiv. Damit man die Zweisamkeit richtig geniessen kann, müssen gewisse Dinge geklärt sein. Ein grosser Streitpunkt sind die Verpflichtungen im Haushalt. Wer macht was und wie gründlich wird geputzt? Klärt man diese Dinge vorher ab, stehen die Chancen gut. Das ist auch eine Gelegenheit, die Beziehung zu reflektieren und sich über Gefühle und Bedürfnisse auszutauschen.

In einer Beziehung sollte man regelmässig eine Art «Standortbestimmung» machen, bei der man sich über Gefühle und Bedürfnisse austauscht.
Gibt es noch weitere Umstände, die das Zusammenziehen negativ beeinflussen können?
Wenn ein Partner zum anderen zieht. Die Person, die in der gewohnten Umgebung bleibt, ist im Heimvorteil. Der umziehende Partner hat das Gefühl, dass er oder sie alles aufgeben musste, und wirft das dem anderen oft vor. Zudem gelten oft nach wie vor die Regeln jenes Partners, welcher schon vorher in der Wohnung wohnte, während der Zugezogene sich anpassen muss. Ideal ist, wenn beide ihren Wohnsitz aufgeben und gemeinsam nach einem neuen Zuhause gesucht wird.
Bist du in einer Beziehung und wohnst mit deinem Partner oder deiner Partnerin zusammen?
Welche typischen Konflikte treten immer wieder auf?
Die Aufgaben im Haushalt sind immer ein grosses Thema. Aber auch, wie viel Zeit man miteinander verbringt, zu welcher Zeit man ins Bett geht, ob mit offenem oder geschlossenem Fenster geschlafen wird, und natürlich auch, wie oft man Sex hat. Dürfen Freunde spontan vorbeikommen und ist es schlimm, wenn ein Handtuch nicht sofort aufgehängt wird? Wann wird gekocht und wer räumt danach auf?

Ein häufiger Konfliktpunkt ist die Küche: Wer putzt wie gründlich, wer kocht und wann oder wie oft wird gemeinsam gegessen?
Wenn Kleinigkeiten wie ein herumliegendes Handtuch schon unendlich nerven, kann man die Situation dann überhaupt noch retten?
Es ist sehr wichtig, dass man solche Dinge möglichst sofort anspricht und nicht Wochen oder Monate damit wartet. Während dieser Zeit werden sonst negative Gefühle gestapelt und das sorgt irgendwann für eine Explosion. Wenn man sich ständig oder wochenlang über Kleinigkeiten aufregt, lohnt es sich, sich professionelle Unterstützung zu holen. Wichtig ist, dass beide Parteien bereit sein müssen, zur Harmonie beizutragen.
Was heisst das genau?
Wenn beide Partner der Meinung sind, dass nur die andere Person etwas ändern muss, funktioniert es auf Dauer nicht. Zusammenziehen bedeutet auch, dass man liebgewonnene Gewohnheiten über Bord werfen muss – oder zumindest anpassen. Ein Chaot wird nie zu einem ordnungsliebenden Menschen und umgekehrt, aber es ist entscheidend, dass man gemeinsame Lösungen erarbeitet. Das heisst, die Marotten der anderen Person lieben zu lernen – und Regeln zu formulieren, mit denen man besser damit umgehen kann.

«Zusammenziehen bedeutet auch, dass man vielleicht liebgewonnene Gewohnheiten über Bord werfen muss – oder zumindest ein bisschen anpassen», sagt Liz Denger.
Was kann man schon vor dem Zusammenziehen tun?
Lernen, die Perspektive des Partners einzunehmen – besonders dann, wenn Konflikte im Raum stehen. Während des Perspektivenwechsels ist nicht gefragt, wie man sich selbst fühlt und was die eigene Meinung ist, man taucht ein in die Persönlichkeit des Gegenübers. Besonders wichtig: Man muss mit der Perspektive des Partners nicht einverstanden sein, um sie zu verstehen.
Haben Sie noch einen letzten Spezialtipp?
Viele Probleme in einer Beziehung haben kaum etwas mit der Beziehung selbst zu tun, sondern mit dem eigenen Rucksack. Es lohnt sich, diesen zu kennen, regelmässig zu reflektieren und in die eigene Entwicklung zu investieren. Gemeinsam an der Beziehung zu arbeiten, ist immens wichtig, mit jeder Auseinandersetzung lernt man dazu. Sollte diese Beziehung scheitern, so kann man das Erlernte in die nächste mitnehmen.
Was sind deine Erfahrungen zum Thema Zusammenziehen? Was würdest du rückblickend anders machen? Teile deine Tipps mit der Community!