«Klartext»: Wer war Ihr dümmster Fahrschüler?

Aktualisiert

«Klartext»Wer war Ihr dümmster Fahrschüler?

Stinkefinger am Steuer, Abzocke und High-Heels: Zwei Fahrlehrer über Klischees und die verrücktesten Momente auf der Strasse.

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Uta Nestler und Cyrill Degonda arbeiten als Fahrlehrer.

Uta Nestler und Cyrill Degonda arbeiten als Fahrlehrer.

Fabienne Naef
Will gelernt sein: Das korrekte Fahren im Kreisel. (Symbolbild)

Will gelernt sein: Das korrekte Fahren im Kreisel. (Symbolbild)

Keystone/Christian Beutler
Das Einparkieren ist für manche ohne Assistent ein Gräuel. (Symbolbild)

Das Einparkieren ist für manche ohne Assistent ein Gräuel. (Symbolbild)

Keystone/Christian Beutler

Ihr fürchtet in eurem Job immer wieder mal um euer Leben.

Cyrill Degonda: Nein, das wäre gar nicht gut. Dann würden wir ziemlich viel falsch machen, vor allem am Anfang in der Ausbildung. Wir sind den Fahrschülern massiv voraus bezüglich Gefahrenerkennung.

Uta Nestler: Genau. Die Voraussicht. Das ist ein Wunsch an alle Autofahrer: vorausschauend fahren!

Degonda: Schön wärs, ja.

Ihr seid die schlimmsten Beifahrer.

Nestler: Im Unterricht ist man nicht Beifahrer, sondern fährt selber – man schaut voraus, hat seinen Plan im Kopf und achtet auf die Zeit, damit man nicht zu spät zurückkehrt. Privat habe ich eine Strategie entwickelt als Beifahrerin, wenn ich nicht im Unterricht bin: Ich sitze auf dem Rücksitz.

«Ich bin ein katastrophaler Beifahrer»

Degonda: Im Unterricht ist klar: Da ist man nicht Beifahrer. Privat bin ich der katastrophalste Beifahrer, den man sich vorstellen kann. Ich sorge immer dafür, dass wir nicht mit meinem Auto unterwegs sind, dass ich keine Pedale habe, keine Spiegel. Ich versuche mich zwar zu beherrschen, bin mir aber bewusst, dass ich furchtbar bin als Beifahrer und ständig alles im Auge haben will. Bei der Arbeit kann ja die Person links von mir nicht Auto fahren oder jedenfalls nicht auf einem Niveau, dass ich mich entspannen könnte. Und diesen Schalter umzulegen, gelingt mir dann nicht. Natürlich kommt es auf den Fahrer an, es gibt gute und schlechte Autofahrer. Aber dreinreden tue ich nicht, denn ich bin nicht am Arbeiten.

Ihr zockt Fahrschüler ab und verlangt mehr Fahrstunden, als nötig wären.

Degonda: Auf diese Vorwurf habe ich gewartet. Meine Fahrschüler dürfen sich jederzeit zur Prüfung anmelden. Es liegt an uns, mit dem Fahrschüler so zu kommunizieren, dass wir uns über die Anzahl Fahrstunden einig sind. Darüber hatte ich noch nie mit einem Fahrschüler eine Diskussion. Offene Kommunikation und zum Beispiel simulierte Prüfungen helfen sehr.

Nestler: Ich bin transparent, was die Lernziele betrifft. Auch ich mache die Probeprüfung, damit die Fahrschüler spüren, wie es ist, ohne Anleitung unterwegs zu sein.

Degonda: Ich bekam von einem Fahrschüler noch nie das Feedback, er habe zu viele Fahrstunden gehabt. Aber dieses Klischee ist stark verbreitet, damit müssen wir umgehen.

Nestler: Für die Schüler sind die Stückzahlen messbar, für uns andere Dinge.

«Es sind haarsträubende Zahlen im Umlauf»

Degonda: Es sind auch haarsträubende Zahlen im Umlauf. «Mein Kollege hat nur fünf Fahrstunden gebraucht» etwa. Es kommt sehr darauf an, wie oft jemand privat fahren kann. Oder ob er vielleicht zuvor schon mit dem Roller fuhr und damit bereits Verkehrssehen entwickelt hat.

Bei Freunden oder Verwandten lerne ich gratis genauso gut Auto fahren.

Degonda: Der erste Teil stimmt: Bei Freunden oder Verwandten lerne ich gratis. Genauso gut glaube ich jedoch nicht. Erstens, und das ist für die Fahrschüler wohl das Wichtigste, wissen wir, was sie an der Prüfung beherrschen müssen. Und was für alle anderen am wichtigsten ist: Wir können die Fahrschüler so ausbilden, dass sie danach definitiv sichere Autofahrer sind. Wie oft hört man den Satz: «Ich würde die Fahrprüfung bestimmt nicht mehr bestehen.» Und die gleichen Leute sagen dann: «Ich bilde gerade meinen Sohn aus.» Wie soll das aufgehen?

Nestler: Fahrten mit Freunden oder Verwandten sind Übungsfahrten. Diese tragen zur Routine, der Verfestigung des Fahrstils und den Kenntnissen im Prüfungsgebiet bei. Das schätzen wir durchaus. Die Nähe wie bei Bekannten oder Verwandten stellen wir nicht her. Bei uns besteht eine gewisse Distanz zum Fahrschüler, eine Sachlichkeit ...

Degonda: ... und vor allem Fachkompetenz. Ich beziehe übrigens Begleitpersonen aktiv ein. Das heisst, ich gebe gewissermassen Hausaufgaben. Ich biete den Begleitpersonen auch an, mich jederzeit nach Rat oder Tipps fragen zu können. Die Zusammenarbeit kann sehr fruchtbar sein, aber Ausbildung ausschliesslich durch die Eltern oder Laien-Begleiter wird nicht funktionieren. Im besten Fall besteht man die Prüfung, aber ein guter Autofahrer wird man so nicht.

Welches war ihr verrücktestes Erlebnis während einer Fahrstunde?

Degonda: Meine Fahrstunden laufen eigentlich unspektakulär ab. Mal reinbremsen oder reinlenken ist da zum Beispiel Alltag. Das entlastet ja den Fahrschüler – denn wenn er überfordert ist, lernt er nichts.

Nestler: Beim Üben auf einem Parkplatz während einer Fahrstunde wurde ich schon von Aussenstehenden um Hilfe gefragt, etwa wenn jemand in einem Mietauto den Rückwärtsgang nicht fand.

Degonda: Was ich feststelle, ist eine extreme Zunahme der Aggressivität: Huperei, Lichthuperei, Dränglerei. Die Leute sind sich gar nicht bewusst, dass sie sich strafbar machen und Menschenleben gefährden. Da wird nur wenig Rücksicht genommen, Sicherheitslinie oder andere Markierungen hin oder her – das scheint mir verrückt.

Wer war ihr dümmster Fahrschüler oder ihre dümmste Fahrschülerin?

Nestler: Es kommt vor, dass etwa das Schuhwerk nicht passend ist. High-Heels oder Flip-Flops sind nicht erlaubt.

«Da wird nur wenig Rücksicht genommen»

Degonda: Ich hatte mal jemanden, der die Prüfung für berufsmässigen Personentransport ablegen wollte. Das ist ja eigentlich eine Prüfung für Fortgeschrittene. Schon in den ersten fünf Minuten der ersten Fahrstunde drängelte er und betätigte die Lichthupe. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dann dauerte es drei Minuten und er zeigte einem anderen Verkehrsteilnehmer den Finger. Ich bat ihn darauf, rechts anzuhalten. Wir machten Fahrerwechsel und ich bat ihn, sich jemand anderes zu suchen. Ich sei nicht bereit, ihn auszubilden. Das würde ich als dumm bezeichnen. Falsche Einstellung – eine solche Person sollte nicht auf die Strasse.

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