Türkischer Reporter in MainzWer zittert hier eigentlich vor Zorn?
In der Türkei hat Jan Böhmermanns Schmähgedicht hohe Wellen geschlagen. Ein Journalist nutzt den Rummel für einen bizarren Auftritt.
- von
- mlr
Über Jan Böhmermanns Schmähgedicht gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Sendung «ZDF Neo Royal» berichten auch die türkischen regierungsnahen Medien. Das führt zu teilweise kuriosen Szenen, wie sich etwa vor der ZDF-Zentrale in Mainz zeigte.
Dort hatte sich kürzlich Mevlüt Yüksel postiert, Reporter der türkischen Sendung «Yaz Boz». Sein Auftrag: Das ZDF wegen Böhmermann zur Rede zu stellen. Während ZDF-Sprecher Alexander Stock im Hintergrund mit einem Dolmetscher spricht, schimpft Yüksel im Vordergrund unablässig in die Kamera.
«Er zittert vor Zorn»
Er beschwert sich darüber, dass sein Team nicht auf dem Sender-Gelände drehen darf und dass Stock die Hände in den Hosentaschen hat. Für Yüksel ist das ein Zeichen von Unhöflichkeit. Er kommentiert Stocks Verhalten: «Er zittert regelrecht vor Zorn. Sie sehen, wo die Pressefreiheit in Deutschland angekommen ist. (...) Sie fühlen sich von uns gestört.» Dass Stock vor Wut zittert, lässt sich in dem Beitrag beim besten Willen nicht erkennen, vielmehr setzt er eine eher freundliche Miene auf.
Auch für das Drehverbot gibt es laut «Welt» eine einfache Erklärung: Beim ZDF sei weder eine Interview-Anfrage eingegangen noch habe das TV-Team aus der Türkei eine Drehgenehmigung eingeholt. Sprecher Stock kam laut «Bild» zum Eingang, um auf die Notwendigkeit dieser Genehmigung hinzuweisen.
Die Sendung «Yaz Boz» präsentiert in ihren Beiträgen häufig vermeintliche Verschwörungen gegen die Türkei und wird jeden Samstagabend auf dem Nachrichtensender A-Haber ausgestrahlt. Der Vorstandsvorsitzende der Turkuvaz-Mediengruppe, zu der A-Haber gehört, ist der Schwiegersohn von Präsident Erdogan.
Welke attackiert Merkel
In Deutschland bekommt Jan Böhmermann unterdessen weiter Rückendeckung. ZDF-Kollege Oliver Welke sagte der «Bild», die Einmischung der Kanzlerin sei «ein grosser Fehler» gewesen, der «ihr hoffentlich leid tut». «In dem Fall hat sich ausschliesslich die Kanzlerin schlecht verhalten», so der Moderator. Angela Merkel hatte über Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilen lassen, dass sie Böhmermanns Erdogan-Gedicht für «bewusst verletzend» halte. In den vergangenen Tagen hatten sich auch Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner mit einem offenen Brief und der Kabarettist Dieter Hallervorden mit einem eigenen Erdogan-Song hinter Böhmermann gestellt.
In der deutschen Politik sind die Meinungen geteilt. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann findet es «unmöglich, dass die türkische Regierung massiv interveniert und in Deutschland die Strafjustiz aufmarschiert sehen möchte». CDU-Generalsekretär Peter Tauber verteidigte das Vorgehen der Bundesregierung. Die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter sei strafbar, und «dann kann man nicht einfach sagen, wir haben zwar eine Rechtsnorm, aber die interessiert uns nicht».
Am Montagabend stellte Erdogan offiziell Strafantrag wegen Beleidigung gegen Böhmermann. Der Satiriker hatte das Gedicht voller unflätiger Beleidigungen Erdogans in der Sendung vom 31. März vorgetragen – und dabei selbst mehrfach gesagt, das sei keine Satire, sondern Schmähkritik und damit in Deutschland illegal. Das ZDF distanzierte sich von dem Auftritt und löschte die Sendung aus dem Archiv. (mlr/sda)