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Ulrich Enzensberger - «Die Jahre der Kommune I»Wer zweimal mit der Gleichen pennt ...

SACHBUCH – In den Sechzigerjahren ist Westberlin eine Frontstadt. Mitten in der DDR gelegen, kommen viele junge Leute dorthin, weil Berliner in Westdeutschland keinen Militärdienst leisten müssen. Aber auch aus dem Osten kommen Flüchtlinge, zum Beispiel der junge Rudi Dutschke. Die Zeit beginnt, in der die Jugend gegen die Konventionen der Nachkriegsgesellschaft aufbegehrt, gegen die alten Nazis, die immer noch in Amt und Würden sind. Es geht auch gegen den Krieg der USA in Vietnam und gegen Unrechtsregimes wie den Schah von Persien. Doch nicht nur die Politik soll anders werden, auch das eigene Ich und das Zusammenleben. Vor allem mit der unterdrückten Sexualität muss etwas passieren. Ulrich Enzensberger, Bruder des berühmten Hans Magnus, gehörte zu den Gründern der Kommune eins, die später durch den Pseudo-Popstar Langhans und das Model Uschi Obermair bekannt wurde. Das war aber dann schon das Ende dieser Kommune.

Enzensberger hat eine sehr gut lesbare Geschichte der ausserparlamentarischen Opposition jener Zeit geschrieben. Leider zeigt er sich recht spröde bei Interna und Klatsch.

Heute läse man gerne mehr über die viel postulierten Orgasmusschwierigkeiten oder über Verpflegung und Hausarbeit in der Kommune. Dennoch ist dieses Buch ein Grundlagenwerk darüber, wie eine offenere, sexuell einigermassen befreite Gesellschaft entstanden ist.

Wolfgang Bortlik

Ulrich Enzensberger «Die Jahre der Kommune I», Kiepenheuer & Witsch, 414 Seiten, 43.70 Franken.

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