Gotthard-Durchschlag: Wie «Stuttgart 21» die NEAT aufhält

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Gotthard-DurchschlagWie «Stuttgart 21» die NEAT aufhält

Der Elan der Gotthard-Tunnelbauer droht ausgebremst zu werden. Während der Basistunnel vielleicht schon 2016 in Betrieb gehen kann, harzt es mit der wichtigsten Zufahrtsstrecke aus Deutschland.

Jürg Rüttimann
SDA
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Jürg Rüttimann
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Nadelöhr sind die Geleise zwischen Karlsruhe und Basel. Die 182 Kilometer lange Bahnstrecke ist die eigentliche Einfallsachse für die Güterzüge aus dem Norden. In einem Staatsvertrag wurde 1996 denn auch vereinbart, dass Deutschland diese Zufahrtsstrecke rechtzeitig auf die Inbetriebnahme der Neat hin ausbaut.

Von den insgesamt 182 Kilometern sind knapp 44 Kilometer bereits in Betrieb und etwas mehr als 20 Kilometer bereits in Bau. Stillstand herrscht auf der restlichen Strecke: 172'000 Einsprachen gegen den Ausbau von zwei auf vier Spuren blockieren die Arbeiten.

Durch den Widerstand gegen das Bahnhofsprojekt in Stuttgart spüren die Bürgerinitiativen, welche die Einsprachen initiiert und koordiniert haben, nun zusätzlichen Rückenwind.

«Der Protest gegen Stuttgart 21 zeigt, was der Bürgerwille bewirken kann», sagte Roland Diehl, Sprecher der Interessengemeinschaft Bahnprotest an Ober- und Hochrhein, auf Anfrage der SDA. Diehl stellte aber auch klar, dass die Bürgerinitiativen nichts gegen die Bahn und die Verlagerung der Güter auf die Schiene hätten. «Wir wollen nur eine qualitativ besseres Projekt.»

Projektbeirat als erster Erfolg

Konkret fordern die Beschwerdeführer, dass sie vom Lärm der zusätzlichen Güterzüge geschützt werden. Für verschiedene Abschnitte der Bahnstrecke haben sie Alternativen zum bestehenden Projekt ausgearbeitet: tiefer gelegene Bahntrasseen, Tunnels und Streckenführung entlang der Autobahn statt durch Wohngebiet.

Dass inzwischen die Deutsche Bahn, das Verkehrsministerium und die Vertreter der Region in einem Beirat über mögliche Verbesserungen diskutieren, werten die Bürgerinitiativen bereits als Erfolg. Dass Rüdiger Grube, der Chef der Deutschen Bahn, sich demnächst ein Wochenende lang vor Ort über die Linienführung informieren will, sieht Diehl zudem als Zeichen dafür, dass die Bahn nicht mehr die gleichen Fehler wie in Stuttgart begehen will.

1 Milliarde Euro mehr

Von Seite der Bahn widerspricht man dem nicht einmal: Der Mediensprecher für das Bauprojekt sagte auf Anfrage, dass man nun dabei sei, die Ansprüche der Bahn und die Wünsche der Region unter einen Hut zu bringen. Gleichzeitig verwies er aber auch auf die zusätzlichen Kosten, welche die Forderungen der Bürger mit sich bringen würden.

Zu den 5,7 Milliarden Euro, welche der Ausbau der Bahnstrecke zwischen Basel und Karlsruhe gemäss den derzeitigen Plänen kosten soll, müsste eine weitere Milliarde Euro in die Hand genommen werden, sagte der Sprecher der Bahn.

Bei der Deutschen Bahn legt man Wert darauf, dass alle Bewilligungsverfahren am Laufen seien und über deren Ausgang nur spekuliert werden könne. Man gehe weiterhin davon aus, dass die Strecke wie vereinbart 2020 in Betrieb sein werde.

Ein Versprechen, dem die Neat-Aufsichtsdelegation, die im Auftrag des Parlaments den Baufortschritt und die Kosten der Neat überwacht, keinen Glauben mehr schenkt. Sie zeigte sich diesen Frühling in einem Bericht jedenfalls bereits beunruhigt über den Rückstand der Bauarbeiten im nördlichen Nachbarland.

Und so könnte auch die zweite Eisenbahnbrücke über den Rhein in Basel bei der Eröffnung des Gotthardbasistunnels ein Mauerblümchendasein fristen, bis die deutsche Zufahrtsstrecke endlich fertig gebaut ist.

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