Nach Fischsterben : Wie umweltschädlich ist Wasserkraft?

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Nach Fischsterben Wie umweltschädlich ist Wasserkraft?

Nach dem Fischsterben im Engadin bei der Stauanlage Punt dal Gall ist die Diskussion um Wasserkraftwerke neu entfacht. Kritiker weisen auf die «schleichenden ökologischen Schäden» hin.

von
aeg

Angesichts des geplanten Atomausstiegs drängt das Parlament auf den Ausbau der Wasserkraft - auch wenn dafür Abstriche beim Naturschutz nötig sind. Das Fischsterben im Engadin zeigt aus Sicht der Kritiker, welche Folgen dies haben kann.

Bei den Engadiner Kraftwerken führte wohl ein technischer Defekt zum Fischsterben. Es sind allerdings nicht Pannen, die den Umweltverbänden die grössten Sorgen bereiten. Genauso schlimm seien die «schleichenden ökologischen Schäden» durch den geplanten Ausbau der Wasserkraft, sagt Pro-Natura-Sprecher Roland Schuler.

Der Bundesrat möchte im Rahmen der Energiewende die Wasserkraft um rund 10 Prozent auf 3,2 Terawattstunden ausbauen. Aus Sicht der Umweltverbände ist das Potenzial höchstens halb so gross. Viele Projekte für Kleinstwasserwerke seien fragwürdig, sagt Schuler. Wegen der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) seien die kleinen Kraftwerke zwar lukrativ, doch würden sie wenig Strom erzeugen.

Bewilligungsverfahren vereinfachen

Anders beurteilt das Parlament die Situation: National- und Ständerat haben den Bundesrat nach der Atomkatastrophe von Fukushima beauftragt, das Ausbauziel für die Wasserkraft zu erhöhen und die Bewilligungsverfahren für Wasserkraftwerke zu vereinfachen.

Auch in Schutzgebieten sollen die Regeln gelockert werden. Erst im März hat der Ständerat eine Motion dazu an den Bundesrat überwiesen. Es geht um das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung sowie regionale Naturpärke.

Schutz und Nutzung neu gewichten

Heute sind Wasserkraftprojekte in diesen Schutzgebieten zwar nicht grundsätzlich verboten. Aus Sicht der Mehrheit im Parlament wird aber das Schutzinteresse zu stark gewichtet. Es brauche eine bessere Interessenabwägung zwischen Energiegewinnung und Naturschutz, befand etwa Werner Luginbühl (BDP/BE).

Eingereicht hatte die Motion Urs Gasche (BDP/BE), Verwaltungsratspräsident des Energiekonzerns BKW, der eine 50-Prozent-Beteiligung an den Kraftwerken Oberhasli AG hält. Diese möchte die Staumauer des Grimsel-Stausees erhöhen, was bisher am Widerstand der Umweltverbände scheiterte.

Bestimmungen zum Restwasser lockern

Noch nicht entschieden haben die Räte über eine Motion von Hans Killer (SVP/ZH), der den Bundesrat beauftragen will, die Bestimmungen zum Restwasser für Fliessgewässer unterhalb von Kraftwerken zu lockern. Killer argumentiert mit dem Produktionsausfall, zu welchem die heutigen Bestimmungen führten.

Im Kanton Graubünden etwa seien wegen des Gewässerschutzgesetzes Sanierungen nötig, die zu einem Ausfall von 40 Gigawattstunden pro Jahr führten, was der Jahresproduktion eines mittleren Wasserkraftwerks entspreche.

Geltende Vorschriften nicht umgesetzt

Der Bundesrat empfiehlt den Räten, die Motion abzulehnen. Die Ziele für den Ausbau der Wasserkraft bis 2050 seien durch die vorgeschriebenen Sanierungsmassnahmen nicht gefährdet, schreibt er in seiner Antwort auf den Vorstoss. Die Minderproduktion sei bei den Berechnungen bereits berücksichtigt.

Allerdings sind die geltenden Bestimmungen zum Restwasser bisher nicht umgesetzt worden. Die Kantone hätten eigentlich bis Ende letzten Jahres dafür sorgen sollen, doch wurden viele Sanierungen nicht fristgerecht abgeschlossen, wie der Bundesrat in seiner Antwort einräumt.

Neue Zahlen Ende Monat

Genaue Zahlen zum Stand der Dinge will der Bund Ende April bekannt geben. Eine Umfrage im Jahr 2011 hatte ergeben, dass erst 37 Prozent aller sanierungsbedürftigen Stellen in Bächen und Flüssen saniert wurden. Die Resultate der jüngsten Umfrage werden derzeit im Bundesamt für Umwelt ausgewertet.

Pro Natura geht davon aus, dass die Lage sich gegenüber 2011 nicht erheblich verbessert hat. Eine Lockerung der Vorschriften, wie sie im Parlament zur Diskussion steht, kommt für den Umweltverband schon gar nicht in Frage. Die Bestimmungen seien bereits heute «am ökologischen Minimum». Es brauche ein Umdenken - weniger Stromverschwendung statt immer mehr Eingriffe in Natur und Landschaft für wenig zusätzlichen Nutzen. (aeg/sda)

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