Nach Kim Jong-Il: Wie weiter mit Nordkoreas Atomwaffen?

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Nach Kim Jong-IlWie weiter mit Nordkoreas Atomwaffen?

Die USA standen kurz vor einem neuen Atom-Abkommen mit Pjöngjang. Doch nach dem Tod von Kim Jong-Il blickt die Welt mit Besorgnis auf Nordkoreas nukleares Arsenal.

von
pbl

Der Deal schien so gut wie besiegelt: Am Sonntag meldeten Nachrichtenagenturen, die USA würden in den kommenden Tagen eine Lieferung von 240 000 Tonnen Nahrungsmitteln an das ausgehungerte Nordkorea bekannt geben. Im Gegenzug könnte das Regime in Pjöngjang einem Abkommen über die Aussetzung seines umstrittenen Programms zur Urananreicherung zustimmen, schrieb die Agentur AP mit Berufung auf Unterhändler.

Bei den seit dem Sommer in Genf und Peking stattfindenden Verhandlungen sei erreicht worden, dass Nordkorea seine Tests von Atom- sowie ballistischen Raketen aussetzt und die Kontrolleure der Internationalen Atomenergiebehörde wieder ins Land lässt, hiess es weiter. Mit der Vereinbarung sollten auch die Sechs-Parteien-Gespräche über Nordkoreas Atomprogramm mit Südkorea, China, den USA, Japan und Russland wiederbelebt werden.

Atomwaffen als «Lebensversicherung»

Zu jenem Zeitpunkt war Machthaber Kim Jong-Il jedoch bereits tot. Nun liegt der Deal, den die USA als grossen Erfolg verbuchen könnten, auf Eis. Wie es weitergeht, ist völlig unklar. «Wir respektieren die Staatstrauer in Nordkorea», sagte Victoria Nuland, eine Sprecherin des US-Aussenministeriums, am Montag. Ein hoher Beamter zeigte sich gegenüber der «Huffington Post» zuversichtlich, dass die Verhandlungen danach wieder aufgenommen werden.

Die USA, aber auch China und die anderen Staaten haben grosses Interesse an einer Neuauflage der Sechs-Parteien-Gespräche. Nordkoreas Atomwaffen gelten als Quelle der Instabilität, insbesondere in der unklaren Übergangsphase nach Kim Jong-Ils Tod. Für den Diktator waren sie eine Art «Lebensversicherung». Nordkorea hat zwar eine riesige Armee mit mehr als einer Million Soldaten, doch deren Ausrüstung ist veraltet, auch fehlt es an Treibstoff, Ersatzteilen und Munition. In einem konventionellen Krieg hätte sie keine Chance.

Zwei angebliche Tests

Nordkorea schockte am 9. Oktober 2006 die Welt, als es seine erste Atombombe zündete. Allerdings zweifeln inzwischen viele an der Darstellung der Nordkoreaner und vermuten die Zündung einer grossen konventionellen Bombe. Zweieinhalb Jahre später – im Mai 2009 – testeten die Nordkoreaner tatsächlich eine A-Bombe. Dieser Test und auch der Abschuss einer Trägerrakete einen Monat zuvor waren vom UNO-Sicherheit verurteilt worden. Als Reaktion zog sich Pjöngjang darauf von den Sechs-Parteien-Gesprächen zurück.

Die nordkoreanische Propaganda berichtete von Fortschritten bei der Produktion von schwach angereichertem Uran. Die US-Regierung befürchtet, dass das Uran-Programm letztlich auch dem Bau von Atomwaffen dient. Für die Herstellung von Atomsprengköpfen muss jedoch sehr hoch angereichertes Uran vorliegen. Experten sind sich nicht einig, wie gross das Arsenal ist. Nordkorea dürfte aber über mehrere Atombomben verfügen. Von einer Verwendung als Raketensprengköpfe soll das Land aber noch Jahre entfernt sein.

Raketen als Exportschlager

Allerdings verfügt Nordkorea schon heute über ein grosses Arsenal an Kurz- und Mittelstreckenraketen. Eine solche wurde am Montag kurz nach der Bekanntgabe von Kim Jong-Ils Tod getestet, möglicherweise im Sinne eines «Warnschusses» an die Aussenwelt. Ausserdem arbeitet Nordkorea seit Jahren an der Langstreckenrakete Taepodong-2, die theoretisch Alaska oder Hawaii erreichen könnte. Die drei bisherigen Tests waren nach Ansicht internationaler Experten jedoch ein Fehlschlag.

Der Export von Raketentechnik ist eine lukrative Einnahmequelle für das arme Nordkorea. Als Käufer sollen der Iran, Syrien und Pakistan aufgetreten sein. Auch der mutmassliche syrische Atomreaktor, den Israel 2007 zerstört hat, soll von Nordkorea geliefert worden sein. Ausserdem gab es Gerüchte, wonach Pjöngjang die burmesische Militärjunta heimlich bei der Entwicklung eines eigenen Atomprogramms unterstützt hat.

«Sehr heikle» Übergangsphase

Fachleute befürchten nach dem Tod von Kim Jong-Il eine wachsende Bedrohung durch Nordkoreas Nukleararsenal. Der Atomexperte Mark Fitzpatrick vom International Institute for Strategic Studies IISS in London sprach von einer «sehr heiklen Situation». Im Falle eines internen Machtkampfes sei eine Atomwaffe «ein entscheidendes Instrument.» Die Übergangsperiode bis zu einer neuen Regierung um Kim Jong-Un könne mehr als zwei Jahre dauern. Fitzpatrick erwartet «eine Phase der Instabilität und Unberechenbarkeit.»

Andere Experten zeigen sich weniger besorgt: Nordkoreas Elite sei ziemlich rational veranlagt, sie wisse, dass der Einsatz einer Atombombe ihr eigener Untergang wäre. Ausserdem sind Nordkoreas Atomwaffen ein beliebtes Mittel, um internationale Hilfe zu «erpressen». Möglich seien dagegen Provokationen wie die Beschiessung einer südkoreanischen Insel oder die Versenkung eines Kriegsschiffs im letzten Jahr, mit denen Kim Jong-Un versuchen könnte, seine Machtposition zu festigen. (pbl/sda)

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