Glutenfreie ErnährungWie Zöliakie das Leben unserer Leser veränderte
1 Prozent der Schweizer Bevölkerung leidet an Zöliakie und ernährt sich glutenfrei. Betroffene 20-Minuten-Leser erzählen von ihrer Krankheit und wie sie damit zurechtkommen.
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Ernährung beschäftigt. Das zeigt die Reaktion vieler 20-Minuten-Leser auf ein Interview zum Thema glutenfreie Ernährung. Über 25 Betroffene jeden Alters haben sich gemeldet und ihre Geschichte geschildert. Ein Grossteil leidet an Zölliakie, gewisse haben eine Glutensensitivität oder eine Laktoseintoleranz. Einige wenige ernähren sich ohne medizinischen Grund gluten- und laktosefrei. Aber lesen Sie selbst:
Silvan Hässig (20) aus Rapperswil betreibt einen Blog zum Thema glutenfreie Ernährung und macht ein Fernstudium als Gesundheitsberater. «Das habe ich blöd gesagt alles meiner Zöliakie zu verdanken.» Hässig litt lange an Bauchschmerzen. «Vor allem wenn ich Pasta oder Pizza gegessen hatte, ging es mir nachher schlecht. Ich hatte Durchfall und war müde und gereizt.»
Seine Schwester, die im Spital arbeitet, machte bei sich selbst ähnliche Beobachtungen. «Vor zwei Jahren überredete sie mich zu einem Bluttest.» Laut dem Arzt war die Diagnose sonnenklar, eine Magenspiegelung gar nicht nötig. Nach einer Ernährungsberatung stellte Hässig auf eine glutenfreie Diät um. Ganz einfach sei das zu Beginn nicht gewesen, da man vieles einfach nicht wisse. «Ich machte einige dumme Fehler: Beispielweise benützte ich denselben Toaster wie vorher. Dass bereits kleinste Spuren von Gluten für eine Reaktion reichen, war mir nicht bewusst.»
Heute falle ihm die Ernährung ohne Gluten einfach. «Ich koche meist selbst und bin ob der grossen Auswahl und Möglichkeiten immer wieder erstaunt.» Mit seiner Ausbildung und dem Blog Glutenfreiewelt.ch will er das Thema noch bekannter und vor allem anderen Betroffenen Mut machen.
Ramona Ammann (25) aus Rothenhausen TG verzichtet seit knapp einem halben Jahr auf Gluten und Laktose. Eine Zöliakie oder Sensitivität wurde bei ihr nie diagnostiziert. «Mich hat das Buch von Peter Osborne ‹Meide Getreide› überzeugt.» Darin erklärt der Autor, Gluten müsse vom Körper konstant abgewehrt werden. Dabei würden Mineralstoffe und Vitamine verbraucht, die man eigentlich für die Abwehr von Entzündungen benötige.
Seit sie sich gluten- und laktosefrei ernähre, gehe es ihr viel besser, sagt Ammann. «Ich habe kein Kopfweh mehr, schlafe ohne Probleme und meine Schmerzen an der Bandscheibe haben ebenfalls nachgelassen.» Ihre Diät habe sie auf eigene Faust umgestellt. Dass dies zu einer Mangelernährung führen kann, wisse sie. «Doch bis fühle ich mich toll.» Sie wisse zudem wie sie das fehlende Gluten ersetzen müsse.
Telma Carvalho (26) aus Arbon muss aufgrund einer Krankheit, die sie seit ihrer Geburt hat, regelmässig zur Kontrolle ins Spital. Als sie 17 Jahre alt war entdeckten die Ärzte während einer dieser Untersuchungen in einem Bluttest Auffälligkeiten. «Der Verdacht auf Zöliakie bestätigte sich wenig später anhand einer Magendarmspiegelung.»
Seither ernährt sich Carvalho glutenfrei und hat keine Bauchschmerzen mehr. Sie ist dankbar für das grosse Angebot in der Schweiz. «Einzig wenn mich Freunde zum Essen einladen und meine Krankheit vergessen, ist es manchmal ein bisschen peinlich – für beide.» Dass es allerdings gesunde Menschen gibt, die freiwillig auf Gluten verzichten, kann sie allerdings nicht nachvollziehen. «Es ist eine einschneidende Veränderung und man muss viel beachten.»
Susanna Zimmermann (53) aus Stettlen BE leidet seit fast 20 Jahren an Zöliakie. Der Weg zu Diagnose war lang und schmerzhaft. «Ich hatte monatelang Durchfall und Bauchweh, ich war müde und hatte keine Energie.»
Doch die Ärzte, die damals noch wenig auf das Thema sensibilisiert waren, wussten nicht, wonach sie suchen mussten. Die Spezialisten gingen von einer Magersucht aus, weil Zimmermann aufgrund ihrer Krankheit extrem viel Gewicht verlor. «Ich war zeitweise nur noch 42 Kilo schwer.» Man habe ihr sogar den Missbrauch von Abführmitteln vorgeworfen.
Schliesslich machte Zimmermann 1997 eine Reise ins Wallis und erlitt auf 2000 Metern eine Stirnhöhleninfektion. «Der Arzt, der mich dort untersuchte, war von meinen Werten völlig schockiert. Er sagte mir, in meinem Zustand sei es gefährlich, mich überhaupt auf dieser Höhe aufzuhalten.»
Im Spital stellte man schliesslich dank einer Magenspiegelung eine Zöliakie dritten Grades fest. «Meine Dünndarmschleimhaut war bereits völlig kaputt», so Zimmermann. Als sie ihre Ernährung umstellte, ging es ihr sofort besser. «Es war eine unglaubliche Erleichterung, ich nahm wieder zu und fühlte mich endlich wie ein normaler Mensch.»
Glutenfreie Produkte gab es damals jedoch nur im Reformhaus. «Und auch dort mussten sie die Nahrungsmittel oft aus einem verstaubten Kellerabteil holen.» Heute sei die Situation für Betroffene viel einfacher. «Ich freue mich über diese Entwicklung.»