StrafrechtWieder ins Gefängnis statt zu zahlen
Der Bundesrat will bedingte Geldstrafen wieder abschaffen und dafür die kurzen Freiheitsstrafen wieder einführen.
Der Bundesrat will zahlreiche 2007 eingeführte Neuerungen des Strafrechts wieder rückgängig machen, insbesondere sollen die umstrittenen bedingten Geldstrafen wieder abgeschafft werden. Die Wirksamkeit der bedingten oder teilbedingten Geldstrafen sei ungenügend, sagte Jusitzministerin Eveline Widmer-Schlumpf am Mittwoch vor den Medien. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, sie wieder abzuschaffen. Gleichzeitig sollen Gerichte wieder bedingte oder unbedingte Freiheitsstrafen ab drei Tagen aussprechen dürfen.
Um dabei die Freiheitsstrafen stärker zu gewichten, sollen Geldstrafen nur noch bis zu 180 Tagessätzen möglich sein. Heute dürfen sie bis zu 360 Tagessätze betragen. Zudem soll für die Geldstrafen ein Mindesttagessatz von 30 Franken gelten. Der Tageshöchstsatz bleibt bei 3000 Franken.
Gerichte sollen Landesverweis aussprechen
Zurück auf eine frühere Bestimmung will der Bundesrat auch bei der Landesverweisung. Sie soll wieder in einem strafrechtlichen Verfahren ausgesprochen werden können. Die präventive Wirkung sei höher, als wenn eine Ausländerbehörde den Landesverwies ausspreche.
Weiter soll die Altersgrenze für den Massnahmenvollzug des Jugendstrafrechts von heute 22 auf 25 Jahre erhöht werden. Damit will der Bundesrat verhindern, dass Jugendliche aus dem Vollzug entlassen werden müssen, obwohl sie für ein Leben in Freiheit noch nicht bereit sind.
Der Bundesrat reagiert mit diesen Vorschlägen auf die scharfe Kritik, die am Strafrecht geübt wird, seit Anfang 2007 der revidierte Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches in Kraft trat. Um die Gefängnisse zu entlasten, hatte das Parlament damals die Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten durch Geldstrafen und gemeinnützige Arbeit ersetzt.
Zweifel der Strafverfolgungsbehörden
Insbesondere Richter und Juristen zogen aber in Zweifel, ob die Geldstrafen abschreckend wirken. Vor allem bedingt ausgesprochene Geldstrafen und gemeinnützige Arbeit sorgten für Irritationen. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes stimmten dann auch die Parlamentarier in den Chor der Kritiker ein.
Laut Eveline Widmer-Schlumpf werden mit den vorgeschlagenen Massnahmen «die offensichtlichen Mängel» der Strafgesetzrevision eliminiert. Dass der Bundesrat mit seinen Vorschlägen einfach einer Mode folge, wollte sie nicht gelten lassen.
Schon während der Vernehmlassung hätten die Strafverfolgungsbehörden davor gewarnt, dass bedingte Geldstrafen nur eine geringe abschreckende Wirkung entfalten würden, sagte sie. Zudem seien verschiedene umstrittene Entwicklungen erst nach der Vernehmlassung ins Gesetz aufgenommen worden. Das Parlament habe sich aber entschieden, die kurzen Freiheitsstrafen zu eliminieren, um die Gefängnisse zu entlasten.
Fehlender Glaube an die Wirksamkeit
Der Bundesrat sei nun aufgrund der ersten Erfahrungen zum Schluss gekommen, dass es keine Sanktionen geben sollte, die nicht als solche wahrgenommen würden, sagte Widmer-Schlumpf. Bei den bedingten Geldstrafen habe aber in weiten Teilen der Gesellschaft der Glaube an die Wirksamkeit gefehlt.
Eine starke Zunahme der Gefängnis-Belegung erwartet die Justizministerin von der Rückkehr zu kurzen Freiheitsstrafen zwar nicht. Dennoch hat sich der Bundesrat dafür ausgesprochen, den Vollzug mittels elektronischer Fussfessel im Gesetz zu verankern. Bislang laufen dazu Versuche in sieben Kantonen.
Um den Strafvollzug nicht zu stark zu belasten, sollen Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten als gemeinnützige Arbeit vollzogen werden können. Dabei soll dieser Arbeitseinsatz nicht als Strafe gelten, sondern bloss als Vollzugsform.
Die Vorschläge der Regierung sind nun bis Ende Oktober in der Vernehmlassung. Der Bundesrat will die Prüfung der letzten Strafgesetzrevision aber weiter treiben. Er strebt zudem auch Anpassungen des Strafgesetzes in Bezug auf die einzelnen Delikte an. Noch in der zweiten Jahreshälfte 2010 will er dazu einen entsprechenden Entwurf in Vernehmlassung geben. (sda)