Kritik an Zunftball: «Will die Welt Zünftlern Rassismus verbieten, geben sie erst recht Gas»

Publiziert

Kritik an Zunftball«Will die Welt Zünftlern Rassismus verbieten, geben sie erst recht Gas»

An einem Ball von und für Zünfter amüsierten sich die Anwesenden über höchst umstrittene Darbietungen. Laut Experte werden hinter verschlossenen Türen gesellschaftliche Tabus gebrochen, weil die Mitglieder sich «unter sich» fühlen.

Ein Ausschnitt aus der Darstellung zeigt, wie der angeblich zensierte Clip eingespielt wurde. 

Tages-Anzeiger

Darum gehts

  • An einer Veranstaltung im Vorfeld des Sechseläutens wurde mit fragwürdigen Stereotypen Stimmung gemacht.

  • So trat ein Darsteller mit Bastrock und schwarz geschminktem Gesicht auf und schwenkte einen Knochen zwischen den Beinen. Andererseits wurde ein angeblich von der Zensur verbotener Clip gezeigt. 

  • Experten kritisieren dieses Verhalten der Zünftler. 

  • «Sie zeigen: Wir haben unsere exklusiven Veranstaltungen, in denen wir die Sau rauslassen können, weil wir unter uns sind», sagt Kulturwissenschaftler Moritz Ege. 

  • «Unter Ausschluss der Öffentlichkeit fallen manchmal die Hemmschwellen und man bricht schneller ein Tabu», sagt Soziologe Elision Macamo. 

Rassismus hinter verschlossenen Türen: Bei einer Einklangs-Feier der Zünfte zum Sechseläuten kam es am Wochenende zu diskriminierenden Darbietungen. So stand unter anderem ein mit geschwärztem Gesicht und Baströckli ausstaffierter «Wilder» auf der Bühne, der einen grossen Knochen schwang und diesen zur Belustigung des Publikums auch gerne mal wie einen Penis zwischen die Beine hielt. Weiter wurde etwa der Clip einer früheren Veranstaltung eingespielt, an der ein stereotyp dargestellter Homosexueller und eine Prostituierte für johlendes Gelächter sorgten. Dieser sei nach Aussage eines Darstellers seither von der Zürcher Zensurbehörde verboten worden.

Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat prüft derzeit, ob ein hinreichender Tatverdacht für ein Offizialdelikt vorliegt und ob die Voraussetzungen zur Eröffnung einer Strafuntersuchung gegeben sind, wie der «Tages-Anzeiger» am Freitag berichtet.

Einfluss der Zünfte

Bis 1867 haben die Zünfte gemäss dem Zentralkomitee der Zünfte Zürichs (ZZZ) die Stadt vor allem politisch geprägt und gelenkt. Im Jahr 1867 wurde dieser politische Einfluss allerdings eingeschränkt. Heute gibt es 26 Zünfte, die neben dem Sächsilüüte auch andere Veranstaltungen, wie beispielsweise monatliche Treffen, durchführen.

«Sie sehen sich als Opfer»

Für den Kulturwissenschaftler Moritz Ege ist die Botschaft, die die Zünfte mit dieser Aufführung senden wollen, klar: «Wenn die heutige Welt von uns Zünftlern verlangt, auf Rassismus zu verzichten, geben wir erst recht Gas.» Mit dem Benutzen von rassistischen Stereotypen und Referenzen zu «Zensur» hätten sich die Zünfte über die geltende «politische Korrektheit» lustig gemacht. «Das hat den Beigeschmack einer Trotzreaktion», sagt Ege.

Gerade konservative Eliten zeigten gerne solche vermeintlichen Widerstandshaltungen: «Sie sehen sich alle zusammen als Opfer, die von den ‹Anderen› zu Unrecht in ihrer Freiheit beschränkt und in ihrer Sprache zensiert werden», so Ege. Die Aufführung sei dabei ein Versuch gewesen, sich als Gruppe von Gleichdenkenden zu fühlen. «Sie zeigen: Wir haben unsere exklusiven Veranstaltungen, in denen wir die Sau rauslassen können, weil wir unter uns sind.»

«Dass sich das Verhalten in jedem Fall langfristig anpasst, ist aus heutiger Sicht unwahrscheinlich», so Ege. «Manche werden auch künftig dieses Gemeinschaftsgefühl durch heimliche Grenzüberschreitungen suchen.» Gerade unter Eliten müsse man sich aber fragen, was für eine Welt damit geschaffen werde.

Was hältst du von Zünften? 

«Unter Ausschluss der Öffentlichkeit fallen manchmal die Hemmschwellen»

«Der Auftritt ist vielleicht deswegen so beunruhigend, weil es sich um einflussreiche Personen handelt, denen anscheinend egal ist, was Minderheiten empfinden», sagt der Soziologe Elisio Macamo. Allerdings betont Macamo auch, dass man sich über Ausschreitungen im privaten Raum nicht zu stark aufregen dürfe. «Unter Ausschluss der Öffentlichkeit fallen manchmal die Hemmschwellen und man bricht schneller ein Tabu, in der Annahme, dass die Öffentlichkeit davon nichts erfahren wird und keine öffentlichen Konsequenzen folgen.» Dass es überhaupt zu solchen Darbietungen kommt, könne man aber als Zeichen sehen, dass die öffentliche Diskussion über Rassismus noch nicht weit genug sei.

Auf Anfrage von 20 Minuten wollten die Zünfte keine Stellung nehmen. Gemäss dem Zentralkomitee der Zünfte Zürichs werden die Bälle, welche vor dem Sächsilüüte stattfinden, unabhängig und ohne Einfluss des Komitees veranstaltet. Darunter falle auch der «Ball beim Böögg». Die Veranstalter des «Ball beim Böögg» wollten sich zu den Vorkommnissen nicht äussern, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt.

1 / 2
Laut Kulturwissenschaftler Moritz Ege machten sich die Zünfte lustig über die geltende «politische Korrektheit». 

Laut Kulturwissenschaftler Moritz Ege machten sich die Zünfte lustig über die geltende «politische Korrektheit». 

Frank Brüderli
Laut Soziologe Elisio Macamo könne auch der Status, welcher Zünftlern zugeschrieben werde, einen Einfluss haben. «Der Auftritt ist vielleicht deswegen so beunruhigend, weil es sich um einflussreiche Personen handelt, denen anscheinend egal ist, was Minderheiten empfinden.»

Laut Soziologe Elisio Macamo könne auch der Status, welcher Zünftlern zugeschrieben werde, einen Einfluss haben. «Der Auftritt ist vielleicht deswegen so beunruhigend, weil es sich um einflussreiche Personen handelt, denen anscheinend egal ist, was Minderheiten empfinden.»

Pirvat

Keine News mehr verpassen

Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.

Deine Meinung

213 Kommentare