Kalter Krieg adé: «Wir brauchen die Bunker nicht mehr»

Aktualisiert

Kalter Krieg adé«Wir brauchen die Bunker nicht mehr»

Bundesrat Ueli Maurer will nicht nur Waffen- und Flugplätze schliessen, sondern auch Bunker. Bürgerliche Politiker sind besorgt.

J. Büchi
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J. Büchi

Am Dienstagmorgen liess Verteidigungsminister Ueli Maurer die Bombe platzen: Im Rahmen des neuen Stationierungskonzepts wird die Armee aus Spargründen künftig auf einen Drittel ihrer Immobilien verzichten, rund 300 Arbeitsplätze gehen verloren. «Vor allem zwei Punkte dürften politisch umstritten sein», prognostizierte Maurer. Neben der Schliessung des Flugplatzes Sitten werde wohl insbesondere die Stilllegung zahlreicher unterirdischer Anlagen für Zündstoff sorgen.

«Salopp gesagt leiten wir damit den Wechsel vom Kalten Krieg zu einer Ausrichtung auf eine moderne Bedrohungslage ein», so Maurer. Vorgesehen sei, dass in der ganzen Schweiz unterirdische Bunker, Tankanlagen und Munitionsdepots, Führungs- und Kampfinfrastrukturen sowie Waffenstellungen verschwinden. «Wahrscheinlich kommt es in der Schweiz nicht mehr zu einem Panzerkrieg, bei dem alle unter den Boden müssen», führte Maurer gegenüber 20 Minuten aus. «Deshalb müssen wir diese Anlagen auch nicht behalten.»

Das Parlament muss die Stilllegung der Bunker jedoch noch gutheissen – und zwar in einer separaten Vorlage, unabhängig von der Änderung des Militärgesetzes. «Da wird es natürlich politische Kräfte geben, die mit der Abkehr von dieser Idee nicht einverstanden sind», so Maurer. Um wie viele Anlagen es sich handelt, ist noch nicht bekannt, da sie heute als geheim klassifiziert sind.

«Gefährliche Tendenz»

Einer, der ganz genau hinsehen wird, wenn die Botschaft ins Parlament kommt, ist der Nidwaldner Ständerat Paul Niederberger (CVP): «Man kann heute nicht einfach ausschliessen, dass es jemals wieder zu einem Panzerkrieg kommen wird.» Dies sei eine «gefährliche Tendenz». Niederberger hatte in einer Motion gefordert, dass keine Rüstungsgüter oder baulichen Verteidigungseinrichtungen liquidiert werden, ohne dass das Parlament einen entsprechenden Zusatzbericht genehmigt. «Ich werde dafür kämpfen, dass die Schweiz eine gewisse Verteidigungskompetenz behält», so Niederberger. Ob die Stilllegung von unterirdischen Anlagen vertretbar sei, müsse im Einzelfall geprüft werden.

Auch SVP-Nationalrat Hans Fehr rechnet mit einer «harten Debatte». Auf keinen Fall dürften im grossen Stil unterirdische Anlagen stillgelegt werden. «Diese Anlagen sind für die Bevölkerung von grösstem Wert. Sie sorgen für unsere Sicherheit.» Man könne nicht einfach davon ausgehen, dass die alten Bedrohungen nicht mehr existieren. «Denn das wäre das Prinzip Hoffnung – und darauf darf sich die Schweiz nicht verlassen.»

Etwas pragmatischer sieht es Fehrs Parteikollege Roland Borer. «Diese Festungsanlagen sind heute so teuer und intensiv im Unterhalt, dass wir um eine Schliessung wohl nicht herumkommen.» Er versteht zwar die kritischen Stimmen, gibt aber zu bedenken: «Wer die Anlagen behalten will, muss auch sagen können, woher das Geld dafür kommen soll.» Auch CVP-Nationalrat Jakob Büchler sagt, der Bundesrat müsse sich halt «nach der Decke seiner Möglichkeiten strecken.» Dabei dürfe er sich aber keinesfalls zu stark nach den Interessen der Armeeskeptiker richten.

«Zeit der Reduit-Gedanken ist vorbei»

Der grüne Nationalrat Balthasar Glättli winkt ab. «Man kommt nicht den Armeegegnern entgegen, sondern einfach der Realität.» Die Armee müsse noch weiter verkleinert werden, die Stilllegung von unterirdischen Anlagen sei längst überfällig: «Die Zeit der Reduit-Gedanken ist definitiv vorbei.»

Von einem «Schritt in die richtige Richtung» spricht auch SP-Nationalrätin Chantal Galladé. Mit einer Stilllegung von unterirdischen Anlagen könnten die finanziellen Mittel der Armee effizienter eingesetzt werden, ist sie überzeugt. Besonders mutig sei das neue Stationierungskonzept aber nicht: «Man hat versucht, den Widerstand möglichst gering zu halten. Vermutlich hätte man noch weitergehen können.»

Neue Gefahr: Cyberkriminalität

Die Diskussion um die neue Ausrichtung der Armee ist also lanciert. Verteidigungsminister Maurer nimmt die verschiedenen Einwände gelassen: «Wir haben in der Schweiz etwa acht Millionen Armee-Fachleute», scherzt er. Es sei gut, wenn jetzt eine Diskussion über die zukünftige Ausrichtung der Armee stattfinde. «Klar ist, dass wir uns auf neue Bedrohungen wie etwa Cyberkriminalität ausrichten müssen.»

Dies bedeute aber keinesfalls, dass die Armee noch weiter verkleinert werden könne: «Bei einem Cyberkrieg könnte etwa das gesamte Verkehrssystem ausfallen. Dann müssten die Leute gesichert, die Infrastrukturen bewacht und der Verkehr geregelt werden», so Maurer. «Dann bräuchte es nicht weniger, sondern vielleicht sogar mehr Soldaten als heute.»

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