Schuldenkrise«Wir erleben wirklich dramatische Zeiten»
Europas Finanzmärkte stecken in einer dramatischen Krise - jetzt fordert EZB-Präsident Jean-Claude Trichet einen «Quantensprung» in der Überwachung der Finanzpolitik.

«In der schwierigsten Situation seit dem Zweiten Weltkrieg, vielleicht sogar seit dem Ersten.» EZB-Präsident Jean-Claude Trichet.
Nötig seien «wirksame Sanktionen bei Verstössen gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt», sagte Trichet dem «Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» gemäss einer am Samstag veröffentlichten Vorabmeldung.
«Zweifelsohne» befinde man sich immer noch «in der schwierigsten Situation seit dem Zweiten Weltkrieg, vielleicht sogar seit dem Ersten», sagte er. «Wir erlebten und erleben wirklich dramatische Zeiten.»
«Quantensprung» gefordert
Die Lage des Euro-Raums Ende vergangener Woche verglich er mit der Zeit kurz nach Beginn der Finanzkrise: «Die Märkte funktionierten nicht mehr, es war fast wie nach der Lehman-Pleite im September 2008», sagte Trichet.
Der EZB-Präsident forderte daher einen «Quantensprung in der gegenseitigen Überwachung der Wirtschaftspolitik in Europa». Die EU- Regierungschefs hätten umfangreiche Sparprogramme zugesagt. «Sie haben sich verpflichtet, die Konsolidierung der Haushalte zu beschleunigen. Sie wissen, was auf dem Spiel steht», sagte er.
Die EU hatte einen 750 Milliarden Euro umfassenden Rettungsschirm für schwache Euro-Länder beschlossen und hofft, damit den Druck vom Euro zu nehmen.
Das Rettungspaket kann die Finanzmärkte allerdings weiter nicht beruhigen: Die europäische Gemeinschaftswährung fiel am Freitag auf den tiefsten Stand seit November 2008.
Auslöser waren neben Zweifeln am Erfolg der rigiden Sparmassnahmen in Europa neue Sorgen um den Zustand der spanischen Wirtschaft. Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero räumte ein, die für 2011 angepeilte Wachstumsrate von 1,8 Prozent werde nicht erreicht. Der Kurs des Euro fiel bis zum Freitagabend kräftig auf 1,2385 Dollar.
Angst vor Inflation nehmen
Trichet verteidigte die Entscheidung der EZB, erstmals Anleihen bedrängter EU-Staaten aufzukaufen. «Mitnichten haben wir den Staats- und Regierungschefs nachgegeben. Bei unserer Entscheidungsfindung fliesst allein unsere eigene Beurteilung der Situation ein», sagte er dem Magazin.
«Wir hören nicht auf die «Empfehlungen» der Regierungen, Märkte und Tarifparteien.» Trichet bemühte sich, den Bürgern des Euro-Raums Inflationsängste nach dem Eingreifen der EZB zu nehmen.
Die Zentralbank habe ihre Grundsätze nicht aufgegeben, vorrangige Aufgabe der Währungshüter bleibe die Preisstabilität, führte er aus. «Diejenigen, die glauben - oder schlimmer noch: suggerieren -, dass wir Inflation künftig tolerieren werden, unterliegen einem schwerwiegenden Irrtum.»
(sda)