Brienz GR«Wir gehen von Haus zu Haus und kontrollieren, ob niemand mehr dort ist»
Bewohner des Bergdorfs Brienz müssen bis Freitagabend ihre Häuser verlassen. Falls sich eine Person wehrt, wird die Polizei beigezogen, heisst es bei der Gemeinde auf Anfrage.
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Darum gehts
Das Bündner Bergdorf Brienz muss evakuiert werden. Etwa 110 Einwohner sind betroffen.
Christian Gartmann, Mitglied des Gemeindeführungsstabs der Gemeinde Albula/Alvra, beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.
Herr Gartmann, wie geht es den Bewohnenden?
Es ist eine sehr schwere Situation für alle. Die Sorgen der Dorfbevölkerung sind ganz verschieden. Das sind teils organisatorische Fragen, wie man innert drei Tagen die wichtigsten Dinge aus dem Haus nehmen kann. Es gibt auch Leute, die noch keine Unterkunft gefunden haben oder Leute, die Hilfe brauchen, da sie nicht mehr mobil sind. Eine von der Gemeinde eingerichtete Hotline für die Betroffenen wird regelmässig gebraucht.
Was sind die nächsten Schritte?
Die Bevölkerung muss das Dorf bis spätestens Freitag um 18 Uhr verlassen haben, sie darf ab dann bis auf weiteres nicht mehr im Dorf übernachten. Ab Samstag wird den Bewohnerinnen und Bewohnern tagsüber ein vorübergehendes Betreten des Dorfes Brienz ermöglicht, solange die Gefährdungslage es zulässt. Das Grossvieh, wie etwa Kühe von zwei Bauernbetrieben, bleibt vorerst in den Ställen. Es wird erst in der Phase Rot evakuiert. Am Dienstagabend wird die Bevölkerung bei einer öffentlichen Informationsveranstaltung über die Details der Evakuierung und Hilfeleistungen der Gemeinde orientiert.
Was passiert nach der Evakuierung?
Das Dorf ist dann leer und wir beobachten, wie sich die Situation am Berg verändert. In einer ersten Phase dürfen die Bewohnerinnen und Bewohner den Tag hindurch ins Dorf gehen, wenn sie z. B. etwas Dringendes erledigen oder abholen müssen. Nur eine Strasse wird dann ins Dorf führen, so können wir an einem Check Point kontrollieren, ob auch alle, die ins Dorf gehen, wieder herausfahren. Wichtig ist, dass das Dorf am Abend leer ist. Falls sich die Situation am Berg zuspitzt, dürfen Bewohnerinnen und Bewohner nicht mehr ins Dorf.
Was ist, wenn jemand das Dorf nicht verlässt?
Wir werden mit den Bewohnerinnen und Bewohnern Gespräche führen und versuchen, sie davon zu überzeugen, das Dorf zu verlassen. Die Evakuierung ist allerdings obligatorisch. Falls sich eine Person vehement wehrt, muss die Polizei beigezogen werden. Wir haben allerdings keine Hinweise darauf, dass sich jemand der Aufforderung widersetzen möchte.
Werden Kontrollen durchgeführt?
Ja, wir werden von Haus zu Haus gehen und kontrollieren, ob niemand mehr dort ist.
Sind Sprengungen vorgesehen?
Sprengungen sind nicht möglich. Man müsste mitten in der Insel drin Bohrlöcher machen, was für Beteiligte lebensgefährlich wäre. Wir können nur abwarten, was der Berg macht.
Was dürfte die Bewohnenden nach ihrer Rückkehr erwarten?
Das hängt davon ab, was mit dem Berg passiert. Es handelt sich um zwei Millionen Kubikmeter Fels, das sind etwa so viel wie 2000 Einfamilienhäuser. Wenn dieser Fels in kleinen Teilen herunterkommt und diese Teile auf der Geröllhalde hinter dem Dorf liegen bleiben, besteht die grosse Hoffnung, dass das Dorf keine oder nur kleine Schäden davonträgt. Das ist auch das realistischste Szenario. Was wir nicht voraussehen können, ist, ob die Insel abbricht oder abrutscht. Darum können wir auch nicht ausschliessen, dass Häuser zerstört werden.
Was ist das Worst-Case-Szenario?
Das Schlimmste wäre, wenn eine Person im Dorf verschüttet wird. Darum haben wir auch die Evakuierung beschlossen.
Wann können die Betroffenen wieder ins Dorf zurückkehren?
Das ist sehr schwierig abzuschätzen. Aber es dauert sicher mehrere Wochen, wenn nicht mehrere Monate, bis die Leute wieder ins Dorf dürfen.
Vor drei Wochen besuchte 20 Minuten das Dorf und sprach mit den Einheimischen.
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