Zürcher Obergericht«Wir glauben nicht mehr an den Storch»
Ein Fassadenisoleur hat seine slowakische Freundin brutal verprügelt. Seine Version, wonach die Frau von alleine gestürzt sei, stuften die Oberrichter aufgrund der Beweismittel als Märchen ein.
- von
- Attila Szenogrady
Der Berufungsprozess vom Freitag nahm für den heute 30-jährigen Angeklagten
aus Bassersdorf einen denkbar schlechten Anfang. So wurde der Mazedonier von Polizeibeamten in den Gerichtssaal geführt. Wegen Verdachts auf Drogenhandel sitzt er heute in Untersuchungshaft. Die Verhandlung drehte sich jedoch um andere, frühere Delikte.
Freundin brutal verprügelt
Der Hauptvorwurf der Körperverletzung ging auf den 22. August 2008 zurück. Damals lebte der verheiratete Familienvater bei einer slowakischen Freundin in Effretikon. Wobei es zwischen dem Liebespaar immer wieder zu heftigen Reibereien kam. In jener Sommernacht eskalierte die Situation erneut. Bereits vor der Liegenschaft, als der Mann mit seinen Fäusten auf seine um ein Jahr jüngere Partnerin eindrosch. Im Schlafzimmer kam es noch schlimmer. Der Mann boxte weiter und trat mit voller Wucht auf die Geschädigte ein. Sie erlitt einen Nasenbeinbruch und zahlreiche weitere Kopfverletzungen. Am Morgen schaltete sie die Polizei ein.
Unbedingte Strafe in Pfäffikon
Im Juni 2009 musste sich der Angeklagte zuerst vor dem Bezirksgericht Pfäffikon verantworten. Nicht nur wegen Körperverletzung. So standen zusätzlich eine Blaufahrt von Bassersdorf nach Effretikon sowie das Anheuern von zwei Schwarzarbeitern zur Debatte. Das Gericht kam zu umfassenden Schuldsprüchen und setzte aufgrund des erheblichen Verschuldens
Eine unbedingte Freiheitsstrafe von zehn Monaten fest.
Opfer soll gestürzt sein
Die Verteidigung legte Berufung ein und forderte einen Freispruch vom Hauptvorwurf der Körperverletzung. Der Angeklagte räumte ein, dass er seiner damaligen Freundin drei Ohrfeigen verpasst habe. Mehr aber nicht. Die gravierenden Kopfverletzungen habe sich seine zur Tatzeit angetrunkene Partnerin selbst zugezogen. So sei sie kurz vor der Haustüre von alleine zu Boden gestürzt und habe dabei ihren Kopf angeschlagen, sagte er.
Verletzungsbild als Beweismittel
Die Oberrichter kauften dem Angeklagten die Geschichte nicht ab. Einerseits glaubten sie den belastenden Darstellungen der Osteuropäerin. Andererseits stützten sie sich auf das dokumentierte Verletzungsbild des Opfers ab. Wenn es tatsächlich mit dem Kopf auf den Boden gefallen wäre, hätte es Blessuren an der Stirne davon getragen, führte der Gerichtsvorsitzende Reinhold Schätzle aus. Stattdessen habe die Frau tiefblaue Veilchen unter den Augen davon getragen. «Wir glauben nicht mehr an den Storch», fasste Schätzle die Meinung des Gerichts zusammen.
In einem Punkt kam das Obergericht dem erneut verurteilten Angeklagten dennoch entgegen. Es setzte im Gegensatz zur ersten Instanz die zehnmonatige Freiheitsstrafe zur Bewährung aus. Allerdings bei einer langen Probezeit von vier Jahren.