GC am Wendepunkt«Wir können nicht mit der grossen Kelle anrichten»
Als André Dosé die Grasshoppers Ende März übernahm, waren sie am Ende – finanziell wie sportlich. Nun sind sie Herbstmeister. Wird GC wieder DER Schweizer Fussballklub, Herr Dosé?
- von
- Eva Tedesco
André Dosé, die Grasshoppers sind Wintermeister, der Klub hat neue Strukturen, bietet Perspektiven. Wie nachhaltig ist der Erfolg?
André Dosé: Es ist fast unglaublich, wo wir in der Tabelle stehen. Dazu hat es gute Leistungen gebraucht. Es ist deshalb kein Zufall, sondern das Produkt harter Arbeit, viel Freude und Motivation. Wintermeister klingt gut, aber davon können wir uns nichts kaufen. Die Arbeit muss weiter gehen – sportlich, und was den Gesamtverein betrifft. Wir müssen Geld beschaffen und die Strukturen im Juniorenbereich zu verbessern. Das geht nicht von einem Tag auf den anderen, sondern bedingt mittel- bis langfristige Planungen. In drei oder vier Jahren kann ich Ihre Frage beantworten.
Als Sie im Frühling bei GC die Geschicke übernommen haben, glich das einem Himmelfahrtskommando. Warum stiegen Sie nicht bei einem funktionierenden Verein ein?
Ich übernehme keine Firmen, die gut laufen. Mich reizt der Aufbau – einen Klub wieder auf Kurs zu bringen. Geld war für mich nie die Motivation. Mir ist die Spasskomponente wichtig und zu sehen, wie das Umfeld aufblüht und mitzieht. Das ist die grössere Befriedigung, als das Materielle.
Wieso ausgerechnet einen Fussballklub?
Fussball war schon immer meine Leidenschaft. Und man muss etwas vom Geschäft verstehen, wenn man ein Unternehmen sanieren will, sonst geht es nicht.
Sie haben zu Beginn Ihrer Amtszeit das Kader von 37 Spieler auf 24 reduziert, Trainer Ciriaco Sforza entlassen und auch im administrativen Bereich aufgeräumt. Welche Kündigung war die schlimmste?
Ich musste schon einmal 2500 Leuten auf einen Schlag kündigen. Und glauben Sie mir, jede einzelne Entlassung war schwer. Es gibt keine einfache Kündigung, denn es trifft immer Menschen. Aber man kann keinen Neuanfang machen, wenn man sich nicht vorher vom Alten gelöst hat.
Was unterscheidet eine Airline und von einem Fussballklub?
Der Unterschied ist riesig! Eine Firma wird nicht jede Woche an ihren Resultaten gemessen. In der Regel kann man da langfristiger arbeiten. Der grösste Unterschied ist das Kurzfristige im Fussball. Was beide gemein haben: Man braucht ein gutes Team in der Führung.
Worauf haben Sie beim Krisenmanagement fokussiert?
Dass die Leute wieder Spass und Selbstvertrauen haben und motiviert sind. Ich will die Leidenschaft im Klub spüren. Ein wichtiger Faktor ist auch die Konstanz. Es gab bei GC in den letzten Jahren unglaublich viele Wechsel bei Präsidenten, Sportchefs und Trainern. So kann man keine Firma führen. Ich will mit GC attraktiven Fussball zeigen, im Verein Konstanz und nach Aussen Glaubwürdigkeit vermitteln.
GC war in den letzten Jahren meist klamm. Erfolg kostet. Kehren mit dem Erfolg die Geldgeber zurück?
Als ich Ende März auf Sponsorensuche ging, wurde ich noch ausgelacht. «Was habt ihr schon zu bieten?», habe ich zu hören bekommen. Die gute Vorrunde hat sicher geholfen und ich hoffe, dass GC für Geldgeber wieder attraktiver geworden ist. In der Stadt spricht man wieder von uns, wir sind präsenter und auch die Fans finden langsam ins Stadion zurück. Aber ist der Ruf einmal kaputt, geht es lange, bis man das Vertrauen zurückgewinnt. Es wird nicht einfach, die Wirtschaftslage ist sehr angespannt. Ich sitze bei anderen Unternehmen im Verwaltungsrat und sehe, dass Investitionen für das Jahr 2013 sehr, sehr konservativ geplant werden – und da rede ich vom Kerngeschäft, nicht von Sponsoring.
Wieviel Geld steht Ihnen in der Saison 2013/14 zur Verfügung?
Mein Ziel ist, das Budget des Gesamtvereins von derzeit 15, 16 Millionen Franken auf 17 Millionen leicht zu erhöhen. Ich spreche hier nicht vom Budget für die erste Mannschaft – das ist eine andere Geschichte – sondern vom Gesamtverein. Wir müssen auch im Nachwuchsbereich unsere Philosophie verankern, Strukturen und Perspektiven schaffen. Unsere Jungen sollen ihren ersten Profivertrag bei GC unterschreiben, dazu müssen wir in der Karriereplanung besser werden. Dazu braucht es mehr Geld. Aber wie gesagt: Ob uns das gelingt, kann ich noch nicht sagen. Die Substanz muss erst erarbeitet werden, das geht nicht von einem Tag auf den anderen. In der Schweiz ist es schwierig jemanden zu finden, der in den Profifussball investiert, in der Stadt Zürich erst recht.
Können Sie Ihren Arbeitsaufwand in Zahlen benennen?
Ich war sehr viel präsent und habe viel mehr gearbeitet, als in der Vergangenheit. In Zahlen kann ich das nicht messen. Ich hoffe, dass mir vor Weihnachten noch ein paar Stunden bleiben, um Geschenke zu besorgen.
Sie spielen beim SC Baudepartement Fussball. Bleibt Ihnen dafür noch Zeit?
Selbstverständlich! Ab nächster Saison stehe ich bei den GC-Veteranen im Tor.
Fussball war Ihren eigenen Worten zufolge immer Ihre Leidenschaft. Hatten Sie einen Lieblingsspieler?
Da war Pele, und auch Johan Cruyff gehört dazu. Heute sehe ich gerne Lionel Messi spielen. Grundsätzlich waren es immer eher Spieler, die Ausstrahlung haben und Ausserordentliches für ein Team leisten.
Auch GC hat Respektables geleistet in der Vorrunde. Es ist das einzige Team, das elfmal gewonnen hat – neunmal in Folge. Sie haben nun bereits Anatol Ngamukol und Willian Rocha verpflichtet. Werden Sie die Mannschaft im Winter weiter verstärken?
Wir haben die Mannschaft punktuell verstärkt und erste Transfers getätigt. Aber wir können nicht mit der grossen Kelle anrichten. Die Spieler müssen bezahlbar sein. Meine Aufgabe ist, eine Möglichkeit zu finden, diese Spieler zu finanzieren, eventuell mit der Unterstützung von Gönnern oder einem anderen Finanzierungsmodell. Daran arbeiten Sportchef Dragan Rapic und ich in den nächsten Tagen und Wochen, ehe ich mir dann über die Festtage drei oder vier Tage ohne Fussball gönne.
Träumen Sie vom Meistertitel?
Das Wort nehme ich nicht in den Mund! Das nimmt bei uns keiner in den Mund. Sehen Sie, ich bin kein Mensch, der zurückschaut, aber als ich mein Amt übernommen habe – und das ist noch nicht so lange her – wo stand GC da? Die Mannschaft wäre fast abgestiegen! Das Ziel lautet wie bisher: ein Platz im gefestigten Mittelfeld. Entscheidend für mich ist, dass Freude und Motivation in der Mannschaft und im Verein vorherrschen und Leidenschaft.