Schweizer im Hurrikan«Wir könnten unser Haus in 15 Minuten verlassen»
Hurrikan Irma zieht über Florida hinweg. Betroffene Schweizer erzählen, wie sie den Rekordsturm erleben.
- von
- M. Rehberg und N. Knüsel
Jean-Marc Brandenberger aus Pully (VD) sitzt wegen dem Hurrikan in Havanna fest. (Video: Tamedia/Jean-Marc Brandenberger)
Auch Schweizer sind vom Hurrikan Irma betroffen – sei es, weil sie in der Region Ferien machen oder dauerhaft dort leben. Norwin Vögeli, der seit gut neun Jahren in Florida wohnt, sitzt seit Tagen auf gepackten Koffern. «Wir könnten unser Haus innerhalb von 15 Minuten verlassen», sagt der zweifache Familienvater zu 20 Minuten. Allerdings hat sich die Familie samt Hund entschlossen, so lange wie möglich in ihrem Zuhause auszuharren. Es liegt nur rund 800 Meter vom Meer entfernt.
«Wir haben einen Vorrat an Wasser, Essen und Benzin angelegt», berichtet Vögeli. Der 54-Jährige hofft, dass Irma weiter westlich vorbeizieht, und sein Heim weitestgehend verschont. Der Hurrikan soll am Montag über seine Stadt Ponte Vedra Beach in der Nähe von Jacksonville ziehen. Seine Region gilt als stark betroffen, aber nicht als das Zentrum der befürchteten Zerstörungen.
Wenn Familie Vögeli ihr Haus dennoch verlassen muss, weiss sie noch nicht, wohin. «Wir haben keine Familie hier, wir werden einfach versuchen, ein Hotelzimmer im Norden zu bekommen», sagt Vögeli, der in den USA eine Firma für Eisenbahntechnik führt. Seine Tochter (17) und sein Sohn (15) waren am Freitag nicht in der Highschool, auch am Montag soll die Schule geschlossen bleiben. Die Vögelis haben bereits Erfahrungen mit Naturkatastrophen: Im vergangenen Jahr wurden sie wegen Hurrikan Matthew evakuiert.
Vorboten des Hurrikans am Sonntagvormittag (Ortszeit) bei Jacksonville, Florida: (Video: Norwin Vögeli)
(Video: Norwin Vögeli)
Stau auf der Autobahn
Andere Schweizer wollen das Gebiet verlassen, können aber nicht. «Wir sind gerade in unserem Hotel in Orlando, Florida. Seit Donnerstag haben wir versucht, noch einen Flug zu bekommen, aber es war alles ausgebucht oder schon abgesagt», sagt Pema Marsen aus Zürich, die dort Ferien macht. Wegfahren sei auch keine Option, da auf der Autobahn Stau herrsche. «Wir müssen jetzt abwarten, bis der Hurrikan vorbei ist.» Der Heimflug sei am Mittwoch von Tampa aus geplant.
«Seit Samstag sind alle Restaurants geschlossen, die Läden sind mit Sandsäcken verbarrikadiert», so die 25-Jährige weiter. Im Hotel herrsche ein grosser Andrang an Einheimischen, viele Leute seien sogar mit den Haustieren da. «Bisher hat aber jeder ein Zimmer bekommen», sagt sie. Am Hotelbuffet werde gehamstert: «Viele haben Angst, dass dort bald die Lebensmittel ausgehen.»
Voraussichtlich trifft Irma in der Nacht auf Montag gegen Mitternacht auf Orlando. Marsen berichtet von den Sicherheitsvorkehrungen: «Wir sollen ab 20 Uhr im Hotel bleiben, die Vorhänge zuziehen und nicht in die Nähe der Fenster gehen.»
Stromausfälle im Hotel
Für Jean-Marc Brandenberger aus Pully (VD) ist das Schlimmste vorüber. Er ist in der kubanischen Hauptstadt Havanna gestrandet. Am Samstag gegen 14 Uhr habe es zu regnen begonnen und stark gewindet, erzählt er: «Etwa um 17 Uhr hat der Sturm dann seine volle Kraft entfaltet.» Mit einigen anderen Menschen sei er an der Promenade gewesen und habe Fotos und Videos gemacht. «Wir mussten uns dann aber ins Hotel zurückziehen», so der 53-Jährige.
Seither harrt er im Hotel aus, teilweise auch ohne Strom. Die Stimmung bezeichnet er als «seltsam». «Die Leute haben drinnen Zigarren geraucht, die Bar und das Restaurant hatten länger offen als üblich.» Angst sei aber keine spürbar, die Gäste stünden am Eingang und schauten hinaus. Am frühen Sonntagmorgen war der Sturm noch im vollen Gang. Wann Brandenberger in die Schweiz zurückkehren kann, weiss er noch nicht: «Ich sollte am Sonntagabend zurückfliegen, der Flug wurde aber annulliert.» Vielen Gästen im Hotel gehe es so.
Am Sonntagmorgen (Ortszeit) wütete Irma immer noch in Havanna: (Video: Jean-Marc Brandenberger)
Video: Jean-Marc Brandenberger
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