GastroFutura: «Wir müssen wieder lernen, was gut schmeckt»

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Gastro Futura«Wir müssen wieder lernen, was gut schmeckt»

Andi Handke hat eine grosse Mission angetreten: Mit Gastro Futura will der Berufsschullehrer, Wirt und Foodaktivist den Umbruch in der hiesigen Gastronomie einläuten. Aber wie?

Adrian Schräder
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Adrian Schräder
Andi Handke will mit Gastro Futura den Gastronominnen und Gastronomen helfen, nachhaltiger zu werden.

Andi Handke will mit Gastro Futura den Gastronominnen und Gastronomen helfen, nachhaltiger zu werden.

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Darum gehts

  • Der Koch und Unternehmer Andi Handke hat Gastro Futura gegründet.

  • Das Praxisnetzwerk soll Gastronominnen und Gastronomen dabei helfen, nachhaltiger zu werden.

  • Sie werden von Gastro Futura beraten und begleitet.

  • Handke setzt auf eine Taktik der kleinen Schritte.

Herr Handke, Sie sind in jedem Bereich der Gastronomie aktiv. Warum?

Weil wir Gastronominnen und Gastronomen einen echten Hebel haben. In der Schweiz werden pro Tag drei Millionen Mahlzeiten ausser Haus konsumiert. Wer produziert diese? Die Gastronomie. Köchinnen und Köche. Der Fachkräftemangel ist akut im Moment. Man muss den Beruf wieder attraktiver machen und die Rolle der Köchinnen und Köche wieder stärken. Denn sie haben eine Schlüsselposition – und sie müssen diese nützen.

Und da kommt Gastro Futura ins Spiel. Was ist das?

Ein Praxisnetzwerk, das dem Austausch von Gastronominnen und Gastronomen rund um Nachhaltigkeitsmodelle dient. Wir coachen und begleiten Gastrobetriebe aller Art darin, wie sie ihr Geschäft Schritt für Schritt zukunftsweisender gestalten können.

Wie funktioniert das Angebot von Gastro Futura konkret?

Man bewirbt sich und stellt zum Beispiel mittels eines Onlinefragebogens eine kleine Bestandsanalyse her. Dort legt man auch fest, wohin man selbst will: Will man gesünder kochen, weniger Food-Waste produzieren, sozialere Arbeitsbedingungen – solche Sachen. Man definiert also ein Ziel für sich. Dann nehmen wir die Bewerberin oder den Bewerber an der Hand und beraten sie oder ihn. Wir organisieren Erfahrungsgruppen, wir halten Workshops und Open Kitchens ab, wir halten Vorträge, geben Inputs. Bei einer Open Kitchen zeigt z. B. ein Betrieb, wie er hausgemachte Getränke aus Waste-Produkten macht.

Angenommen, ich habe ein Restaurant und befolge alle Ihre Tipps – alles nachhaltig, alles lokal, alles hochqualitativ und hochpreisig. Ist die Gefahr nicht gross, dass ich den Laden übermorgen dichtmachen muss?

Fangen Sie langsam an. Schritt für Schritt. Vielleicht, indem Sie ein, zwei Produkte austauschen und statt des brasilianischen Poulets auf Schweizer Pouletschenkel ausweichen oder die Milchprodukte reduzieren, von denen man weiss, dass sie einen riesigen Impact auf das Klima haben. Niemand sagt, Sie sollen von einem Tag auf den anderen alles auf den Kopf stellen.

Aber der Aufwand, die Beschaffungskosten und damit auch die Preise steigen.

Es schadet auf keinen Fall, wenn man gut rechnen kann. Lokale und saisonale Küche ist nicht zwingend teurer. Man kann mit einem pflanzenbasierten Gericht zum Teil eine höhere Marge erwirtschaften als mit einem Fleischgericht.

Gibt es positive Beispiele?

Ja, klar gibt es die. Gerade einige der Grossen gehen mit guten Beispielen voran. Der Zoo Zürich ist vorbildlich vorgegangen und hat sein meistverkauftes Produkt, die Chicken Nuggets, durch pflanzenbasierte Produkte ersetzt. Und kaum jemand hat es gemerkt. Die Kinder mampfen munter weiter.

Sie glauben also, dass das Umdenken über den Genuss stattfindet?

Klar. Viel eher als über den Zwang. Es bringt ja nichts, den Leuten zu sagen, sie sollen im Winter keine Erdbeeren mehr kaufen oder generell kein Fleisch mehr essen. Gleichzeitig müssen wir uns wieder schulen: Was schmeckt überhaupt gut? Die Erdbeeren aus den spanischen Gewächshäusern sind es nicht. Sie werden viel zu früh geerntet und verbringen dann ein paar Tage im Lastwagen. Genau wie der Geschmack ist auch der Nährwert weg – von den sozialen Auswirkungen gar nicht zu sprechen.

Wo fängt das Umdenken an?

In der Schule oder sogar noch früher. Das Kochen muss wieder ins Schulsystem. Ein neuer Tiptopf muss her. Ich finde, jedes Kind sollte beim Schulabschluss mindestens zehn verschiedene Gerichte kochen können. Wenn es das kann, dann ändert es das eigene Konsumverhalten.

Im Moment wird fleissig konsumiert. Nur schon in der Stadt Zürich werden täglich tonnenweise Lebensmittel weggeschmissen. Tendenz steigend. Welcher ist der grösste Aufreger für Sie?

Ich rege mich häufig auf. Zum Beispiel, wenn eine Tankstelle exotische Früchte oder Sushi verkauft. Das muss doch nicht sein! Das macht doch keinen Sinn! Aber ich rege mich dann auch wieder ab und versuche, das Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten dafür zu schärfen.

Ihre letzte kulinarische Entdeckung?

Je mehr man den Blick anstatt nach aussen nach innen lenkt, desto mehr entdeckt man im eigenen Mikrokosmos. Ich bin zum Beispiel ganz begeistert von dem, was Patrick Marxer bei Das Pure macht. Zum Beispiel stellt er aus Ackerbohnen eine unglaublich gute Miso-Paste her. Gestern habe ich damit Spargeln bestrichen und sie dann auf einen japanischen Hibachi-Grill gelegt. Dazu gabs Polenta aus Rheintaler Ribelmais und Pilze aus dem Zürcher Oberland, gewachsen auf dem Kaffeesatz der hiesigen Gastronomie. Es war ein Fest.

Weitere Informationen unter Gastrofutura.ch.

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Gastro Futura setzt auf Information und Coaching, vermittelt an Events und in Erfahrungsgruppen.

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Gastrofutura.ch
Mitgründer und Foodexperte Patrick Honauer bei einem Event im Restaurant Rank.

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Gastrofutura.ch
Im Netzwerk können Gastronominnen und Gastronomen von anderen Gastronominnen und Gastronomen lernen, wie man nachhaltig kocht und wirtschaftet.

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Gastrofutura.ch

Zu Gastro Futura

Die Gastroprofis Patrick Honauer und Andi Handke haben mit Gastro Futura (Eigenschreibweise: GastroFutura) ein Praxisnetzwerk ins Leben gerufen, das dem Austausch von Gastronominnen und Gastronomen rund um Nachhaltigkeitsmodelle dient. Sie vermitteln Gastrobetrieben Informationen darüber, wie sie ihr Geschäft Schritt für Schritt zukunftsweisender gestalten können. Aktuell befindet sich das Projekt, das vom Migros-Pionierfonds unterstützt wird, in der Pilotphase. Im Laufe des Jahres wird sich zeigen, ob und wie das Angebot von der Branche genutzt wird.

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