Weihnachtsmarkt Zürich«Wir protestieren, indem wir keine Angst haben»
Wie fühlen sich die Besucher und Betreiber von Weihnachtsmärkten in der Schweiz nach dem Attentat in Berlin? 20 Minuten hat vor Ort nachgefragt.
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So fühlen sich die Weihnachtsmarkt-Besucher und Standbetreiber in der Schweiz einen Tag nach dem Attentat in Berlin.
Die Besucher spazieren sich die Hände reibend durch die kleinen Gassen zwischen den Ständen am Weihnachtsmarkt auf dem Sechseläutenplatz. Am Dienstagnachmittag merkt man in Zürich kaum, was abends zuvor in Berlin passiert ist. Die Leute trinken Glühwein, kaufen Geschenke und plaudern vergnügt. Viele wissen noch nicht einmal etwas vom Lastwagenfahrer, der im Nachbarland mit bis zu 80 km/h durch Weihnachtsbuden gedonnert ist und zwölf Menschen in den Tod gerissen hat.
Hinter den Ständen jedoch ist das Thema allgegenwärtig. «Ja, wir haben gerade darüber gesprochen», sagt Aysen Örikaya Özkan (54). Sie und ihr Mann sind aus Gränichen AG angereist. «Wir protestieren, indem wir keine Angst haben. Das ist ja genau das Ziel dieser Leute. Wir weigern uns schlicht, Angst zu haben.»
Auch Schmuckverkäuferin Fabienne Ymar (30) aus Genf sagt, sie wolle sich nicht erpressen lassen. Die Chance, von einem Auto überfahren zu werden, sei grösser, als bei einem Terroranschlag zu sterben. Im Moment höre sie einfach auf ihre innere Stimme – wenn sich am Stand jemand komisch verhalte, dann blocke sie sofort ab. «Es nützt aber nichts, in Angst weiterzuleben.»
«Ich bin Berliner, ich kann nicht darüber sprechen»
Besucherin Vreni Frei (79) aus Rekingen AG sagt, ein bisschen Sorgen mache sie sich schon. Sie habe am Montagabend im Fernseher vom Attentat in Berlin erfahren und sofort gedacht, dass sie am nächsten Tag ja auch an den Weihnachtsmarkt in Zürich gehen wollte. «Man darf aber deswegen nicht zu Hause bleiben. Ich schaue jetzt ein bisschen mehr nach links und nach rechts, das ist alles.»
Es gibt aber auch jene, die sich abwenden, sobald sie auf Berlin angesprochen werden. «Ich bin Berliner, ich kann jetzt nicht darüber sprechen», sagt ein Standbetreiber. Anderen steigen die Tränen in die Augen. «Nein, das ist mir zu emotional», sagt ein junge Frau, die ebenfalls aus Deutschland stammt.
«Wenn sie kommen, dann kommen sie»
Veranstalterin Katja Weber, sagt, ihre Gedanken seien ebenfalls bei den Betroffenen in Berlin. «Wir vom Team werden uns aber sicher nicht von den schrecklichen Taten abschrecken lassen, sondern die Weihnachtstage umso mehr vor Ort verbringen.» Die Beleuchtung werde deshalb am Dienstagabend um 20 Uhr sowohl am grossen Christbaum als auch am Opernhaus für eine Gedenkminute abgeschaltet – «und alle werden persönlich vor Ort sein», so Weber.
Sie spüre ausserdem keine Veränderung seit dem Anschlag. Auch am Montagabend hätten die Besucherzahlen nicht abgenommen. «Es war ein normaler Rückgang vor Marktschluss.»
Auch viele Besucher haben eine fatalistische Einstellung: Ein erhöhtes Sicherheitsdispositiv bewirke nichts, sagen sie. «Wenn sie kommen, dann kommen sie», sagt der holländische Käseverkäufer Kors van der Rijff (58). Das könne man nicht verhindern. «Auch wenn man eine Mauer um den Weihnachtsmarkt baut, bringt das nichts. Dann fährt der Nächste einfach mit einem Panzer ein», so Erin Calver (44) aus Australien.
Kapo Basel-Stadt erhöht Sicherheitsmassnahmen
Die Stadtpolizei Zürich beurteilt derzeit die Lage vor Ort und passt die Sicherheitsmassnahmen entsprechend an. Wie diese aussehen, werde aber nicht kommuniziert, so Sprecher Michael Walker auf Anfrage.
Die Kantonspolizei Basel-Stadt hingegen gab bekannt, bereits seit Dienstag sei sie noch präsenter auf den Plätzen des Weihnachtsmarkts vertreten: «Neben den Fuss- und Fahrzeugpatrouillen werden mögliche Zufahrten zu den Marktgeländen mit baulichen Massnahmen oder mit Fahrzeugen erschwert.» Mit dieser raschen und zweckmässigen Anpassung des Dispositivs und der Ausrüstung der Polizisten werde die Einsatzbereitschaft erhöht.