Buddhisten in Basel«Wir spielen keine Obdachlosen»
Ein amerikanischer Zen-Mönch führt in Basel ein umstrittenes Projekt durch: Seine Anhänger leben einige Tage als Obdachlose. Die Kritik ist hart - ein Teilnehmer verteidigt sich.
- von
- G. Brönnimann

Remo Uherek ist praktizierender Buddhist. Der Basler Ökonom und Unternehmer wird fünf Tage lang auf jeglichen Komfort verzichten.
Herr Uherek, warum leben Sie fünf Tage lang auf Basels Strassen und spielen Obdachlose?
Remo Uherek: Wir spielen keine Obdachlosen. Darum geht es nicht - wir gehen lediglich mit unserer spirituellen Praxis auf die Strasse. Wir nehmen niemandem, der wirklich obdachlos ist, irgendwo Plätze weg.
Was bezwecken Sie denn genau damit?
Erstens ist das mal eine ganz persönliche Angelegenheit: Da geht es um Meditation, um Erweiterung des Erfahrungshorizonts. Ich habe vor drei Jahren in Bielefeld schon einmal an einem «Street Retreat» von Claude AnShin Thomas teilgenommen und habe immens profitieren können. Ausserdem machen wir damit schon auch auf ein wichtiges Thema aufmerksam: Die Obdachlosigkeit. Es kann ja nicht schlecht sein, wenn die Medien sich mit diesem Thema auseinandersetzen.
Natürlich nicht. Das war aber nicht der Vorwurf: Der ging darum, dass ihre Gruppe keine echten Obdachlosen sind, und dass so das Problem verharmlost werde - gar, dass ihre Aktion «unethisch» sei.
Ich verstehe jede Kritik. Es ist sehr grosses Leid in unserer Gesellschaft vorhanden. Ich bin auch nicht der grösste Fan von der Idee, dass jeder uns das nachmachen sollte - darum geht es auch nicht. Jeder muss die Dinge so machen, wie er es für richtig hält. Aber so eine Aktion öffnet den Leuten auch die Augen - den Teilnehmenden genau so wie den Leuten, die damit konfrontiert werden.
Auf welche Art?
Viele Menschen begegnen Bedürftigen mit Gedanken wie: ?Mach doch das, was wir machen! Geh doch einfach arbeiten!' - und das muss man hinterfragen. Es gibt Menschen, die sind zu krank, zu schwach, zu süchtig, um zu arbeiten. Und es gibt Menschen, die wählen bewusst ein solches Leben - und für sie alle muss es doch auch Platz geben in der Gesellschaft. Es geht letztlich um Respekt vor den anderen.
Sie persönlich wählen das Leben auf der Strasse bewusst nur auf Zeit - für Erkenntnisgewinn.
Ja. Ich habe Wirtschaft studiert, bin Ökonom und Unternehmer, habe eine Firma gegründet, bin derzeit mit neuen Projekten beschäftigt. Die Meditation erlaubt mir, Stress reduzieren zu können, präsenter zu sein, und einfach einmal alles auf die wesentlichen Dinge zu fokussieren - ganz ohne Ablenkungen, ganz ohne Handy. Das hilft mir ganz konkret weiter.
Was haben Sie denn konkret gelernt?
Die Erfahrung, von der Grosszügigkeit anderer Menschen abhängig zu sein - die tut gut, sie prägt. Sie macht einen selbst auch grosszügig. Ich war ja wie gesagt in Bielefeld schon einmal dabei. Da habe ich zum Beispiel gelernt, dass man immer Brot geschenkt bekommt. Viele Menschen sind grosszügig - aber die meisten spenden Brot. Das ist zwar schön, verdirbt einem aber schon nach wenigen Tagen den Magen. Seither spende ich den Bedürftigen Früchte und andere Lebensmittel. Das sind konkrete Erfahrungen, die ich in meinen Alltag einbeziehen kann.
Sind Sie Mitglied in der Glaubensgemeinschaft von Claude AnShin Thomas?
Ich praktiziere zwar den buddhistischen Lebensweg, aber ich würde mich nicht als Zen-Buddhisten bezeichnen, mir geht es um Erfahrungen, um Meditation, um Erkenntnisse. Nach seiner Zeit im Vietnamkrieg lebte Claude AnShin Thomas selbst zwei Jahre lang als Obdachloser auf der Strasse. Für ihn ist das keine «Selbsterfahrung» - es war harte Realität. Deshalb kann er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch Einblicke geben, wie es ihm damals als echten Obdachlosen ergangen ist, und wie er gelebt hat.