WM-Botschafter Ronald de Boer verharmlost 6500 tote Gastarbeiter

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«Das ist völliger Blödsinn»WM-Botschafter und Ex-Fussballer verharmlost 6500 tote Gastarbeiter

Am Tag der WM-Gruppenauslosung erlebt der niederländische Ex-Fussballer und WM-Botschafter Ronald de Boer einen riesigen Shitstorm. Grund dafür sind Aussagen über die 6500 Toten in Katar. Derweil gibt es eine Protest-Aktion vor dem Fifa-Sitz in Zürich.

Nils Hänggi
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Nils Hänggi
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Ronald de Boer ist ein niederländischer Ex-Nationalspieler und schockiert derzeit mit Aussagen über die WM-Toten in Katar.

Ronald de Boer ist ein niederländischer Ex-Nationalspieler und schockiert derzeit mit Aussagen über die WM-Toten in Katar.

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Derweil gibt es vor der Fifa-Zentrale in Zürich eine Protest-Aktion.

Derweil gibt es vor der Fifa-Zentrale in Zürich eine Protest-Aktion.

Suisse Solidar
 6500 mit Sand gefüllte Fussbälle wurden vor der Zentrale abgeladen.

6500 mit Sand gefüllte Fussbälle wurden vor der Zentrale abgeladen.

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Darum gehts

Diese Aussage schockt die Fussball-Welt. So hat der frühere niederländische Nationalspieler Ronald de Boer die Todeszahlen auf den WM-Baustellen im umstrittenen Gastgeberland Katar relativiert und damit für einen Eklat gesorgt. 

In der Sendung «Jinek» beim niederländischen TV-Sender RTL sprach der 51-Jährige über die vom «Guardian» im letzten Jahr veröffentlichten Zahlen von 6500 toten Gastarbeitern. De Boer sagte: «Das ist wirklich völliger Blödsinn. Sie haben alle Menschen aus diesen zehn Jahren in einen Topf geworfen. Das wird den Menschen nicht gerecht.» Und weiter: «Es sterben Menschen. Egal wie traurig. Aber sie geben einem das Gefühl, dass die Leute von der Hitze des Stadions erschlagen werden.»

Die Aussagen von de Boer schockieren viele Fans

Der Niederländer, der Botschafter für die WM in Katar ist, erklärt seine Meinung weiter. «Da gibt ein Wort das andere. Es wird alles in einen Topf geworfen. Von der Lehrerin über die Reinigungskraft bis hin zum Bauarbeiter. Das ist der Stoff, aus dem diese Zahlen gemacht sind», so der Ex-Fussballer. Was er damit meint? Der «Guardian» schrieb damals: «Die Todeszahlen sind nicht nach Beruf oder Arbeitsplatz kategorisiert.» Die Zeitung zitierte aber mehrere Stimmen, die explizit darauf hinwiesen, dass die Toten mit dem Bau der WM-Stadien und -Hotels zusammenhingen. 

Die Aussagen von de Boer, der seine Karriere von 2004 bis 2008 in Katar bei Al-Rayyan SC und Al-Shamal SC ausklingen liess, entsetzte viele Fans vor den TV-Bildschirmen. Auf Social Media ist der Shitstorm gross. «Ronald de Boer ist total gehirngewaschen», meinte etwa ein Twitter-User. Jemand anders twitterte: «Ist ja klar, dass er so etwas sagt. Er ist Botschafter und einfach nicht neutral.»

Protest-Aktion vor Fifa-Zentrale in Zürich

Dass die WM in Katar sehr umstritten ist, zeigt auch eine Aktion am Tag der WM-Gruppenauslosung (18 Uhr, live im Ticker) vor dem Hauptsitz des Weltfussball-Verbands Fifa. Als Protest gegen die Ausrichtung der WM 2022 in Katar haben Künstler Volker-Johannes Trieb sowie die Verbände der Arbeiterwohlfahrt 6500 mit Sand gefüllte Fussbälle vor der Zentrale abgeladen. Bedruckt waren die Bälle mit dem Zitat «Weltgewissen, du bist ein Fleck der Schande». Es seien noch weitere Aktionen geplant, hiess es in einer Mitteilung. Gesammelt werden auch Spenden, «die den Menschen in den Ländern der Getöteten zu Gute kommen».

Der WM-Gastgeber steht praktisch seit der Vergabe Ende 2010 wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik. Im Mittelpunkt stand und steht das sogenannte Kafala-System, das Arbeitnehmern aus dem Ausland praktisch alle Rechte nimmt. Die Regierung des Emirats verweist immer wieder auf zahlreiche Reformen – insbesondere für die Arbeitnehmerrechte. Im Gegensatz zu anderen Ländern der Region ist das Kafala-System in Katar offiziell abgeschafft.

Verstösse gegen die neuen Gesetze würden rigoros verfolgt, heisst es aus dem Emirat, das Fehler eingesteht und Geduld einfordert. Mit Bezug auf die gestorbenen Arbeiter argumentiert Katar, die Sterberate liege angesichts von mehr als 1,4 Millionen Menschen aus der Region im Land im zu erwartenden Bereich.

Trauerst du oder trauert jemand, den du kennst?

Hier findest du Hilfe:

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Seelsorge.net, Angebot der reformierten und katholischen Kirchen

Muslimische Seelsorge, Tel. 043 205 21 29

Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch

Lifewith.ch, für betroffene Geschwister

Verein Regenbogen Schweiz, Hilfe für trauernde Familien

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Pro Senectute, Beratung älterer Menschen in schwierigen Lebenssituationen

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