Frau UnternehmerinWo bleiben die Firmen-Gründerinnen?
Nur 23 Prozent der Firmengründungen in der Schweiz gehen auf das Konto von Frauen. Das Problem: Es gibt zwar viele Unternehmerinnen, oft verkaufen sie sich aber nicht als solche.
- von
- Sabina Sturzenegger

In der Textilbranche sind die Frauen in der Schweiz als Firmengründerinnen sogar in der Mehrheit. (Bild: thinkstockphotos)
Neue Firmen werden in der Schweiz immer noch grösstenteils von Männern gegründet. Das besagt eine Studie zu Firmenkonkursen und Gründungen von Dun & Bradstreet. Der Wirtschaftsinformationsdienst hat die knapp 28 000 Personen, die sich in der ersten Hälfte dieses Jahres als Firmengründer ins Handelsregister eintragen liessen, ausgewertet. Der Frauenanteil unter den Firmengründern beträgt gerade einmal 23 Prozent.
Diese Zahl hat sich seit 2007 kaum verändert. Auch unter den Jungunternehmern sind die Frauen nicht zahlreicher: Gemäss dem Online-Firmengründungsportal Startups lag der Anteil der Startup-Gründerinnen im ersten Halbjahr 2012 ebenfalls nur bei 23,5 Prozent.
Wirtschaftswelt verändern
Für Monique Ryser, Zentralpräsidentin der Business and Professional Women (BPW), ist es «schade», dass Frauen nicht mehr Firmen gründen. «Dabei könnten Frauen damit einen Schritt machen, um die Wirtschaftswelt in ihrem Sinne zu verändern», sagt sie.
Für Ryser ist aber auch klar, woran es mangelt: «Frauen fehlt oft der Mut, selbst eine Firma zu gründen. Wenn sie es tun, dann sind sie vorsichtiger, überlegen lange und klotzen weniger als Männer.» Dafür würden die Frauen-Firmen länger überleben. Tatsächlich haben Unternehmen von Frauen eine deutlich grössere Chance, die ersten fünf Jahre zu überleben, als solche von Männern. Das Resultat geht aus einer Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) hervor.
Nicht alle eingetragen
Einen anderen Grund für die tiefe Zahl der Firmengründerinnen sieht Gabriella Canonica Bloch vom Netzwerk der Einfrau-Unternehmerinnen (NEFU): «Ich gehe davon aus, dass die 23 Prozent nur einen Teil der tatsächlichen Firmengründungen in der Schweiz abbilden.» Aus ihrer Erfahrung als NEFU-Geschäftsführerin weiss sie, dass viele Frauen ihr Kleinstunternehmen nicht ins Handelsregister eintragen lassen und deshalb in keiner Statistik erscheinen. «Oft hängen Frauen ihre Firmengründung nicht an die grosse Glocke und lassen nicht als Erstes Visitenkarten drucken», erklärt sie.
Zudem hätten Frauen oft einen anderen Antrieb, eine Firma zu gründen, als Männer, fügt Canonica an. Während Männer überzeugt seien, eine gute Idee oder ein gewinnbringendes Geschäft mit einer eigenen Firma aufzuziehen, würden viele Frauen «aus einer gewissen Not heraus» handeln. «Die Firmengründung geschieht bei Frauen nicht selten, weil sie sich verändern müssen», sagt Canonica. Neben Arbeitslosigkeit könne das eine Veränderung im familiären Umfeld sein, beispielsweise der Wegzug der Kinder oder des Ehepartners.
Bildungsniveau ist tiefer
In dieses Bild passt es, dass in der Schweiz die Firmengründungen von weniger gut ausgebildeten Frauen in den letzten Jahren zugenommen haben, wie die FHNW-Studie weiter zeigt. Demnach ist das Bildungsniveau von Frauen, die ein Unternehmen gründen, tiefer als jenes ihrer männlichen Kollegen.
Viele der Frauen-Firmen sind denn auch in den immer noch in Bereichen angesiedelt, die als «frauen-spezifisch» bezeichnet werden: In der Textilwirtschaft, in der Gastwirtschaft oder in den Bereichen Beratung und Coaching. In der Textil- und Bekleidungsindustrie sind die Frauen gemäss der Untersuchung von Dun & Bradstreet mit 57,8 Prozent sogar in der Mehrheit.
Im Detailhandel und im Gastgewerbe wird immerhin noch rund jede dritte Unternehmung von einer weiblichen Person gemacht. Praktisch Männerdomänen sind neu gegründete Maschinenbaufirmen, Baugeschäfte, Handwerksbetriebe und Investitionsgesellschaften mit einem Gründerinnen-Anteilen von rund zehn Prozent.
70 Prozent Schweizer
Bei knapp 69 Prozent der Firmengründer handelt es sich gemäss der am Dienstag veröffentlichten Auswertung von Dun & Bradstreet um Schweizer. 6,1 Prozent der Firmengründer waren Deutsche, 5,4 Prozent Italiener und 3,7 Prozent Franzosen. Unter 2 Prozent beträgt der Anteil der Portugiesen, Türken, Briten und Österreicher. Verhältnismässig viele Firmengründer (1,3 Prozent) stammen aus dem Kosovo. Insgesamt wurden in der Schweiz von Januar bis Juni 20 019 Firmen neu gegründet. (sda)