Aus der BauzoneWohnen wie ein Hobbit
Die Erdhäuser in Dietikon erinnern an Mittelerde. Darin leben allerdings keine Fabelwesen.
- von
- Thomas Widmer
Am Hang des Limmattals hat sich der Künstler Bruno Weber ein Gesamtkunstwerk auf grosser Fläche geschaffen. Einen eigenen Kosmos mit gewaltigen Giraffenskulpturen, klauenfüssigen Picknickstühlen, einer aus Drachenwesen komponierten Rundbrücke so hoch wie ein altrömischer Aquädukt. Der Besuch lohnt sich, vor allem mit Kindern.
Ein Haus unter dem Grün
Das Erdhäuser-Ensemble, zu dem man locker in zehn Minuten hinüberschlendert, befindet sich über dem Bruno-Weber-Park. Erster Gedanke: Hier wohnen die Hobbits! Und welches Haus mag wohl Frodo gehören? Alles ist rund und weich und wellig und weiss: die Fassaden, die Fenster und Lukarnen, die Gartenmäuerchen, sogar die Einfahrt zur Parkgarage. Rudolfsteinerianer frohlocken, nirgendwo ein rechter Winkel! Statt Ziegel deckt begrünter Humus die Häuser aus Spritzbeton, von denen wesensgemäss nur der oberirdische Teil sichtbar ist. Ein Biotöpchen ist da auch.
Würde man in einem solchen Erdhaus leben wollen? Den einen Betrachtern wäre das trotz der demonstrativen Oberlichter zu dunkel. Andere finden das Design zu lieb, brav, nett, kindlich, harmlos. Zu Papa-Schlumpf-artig. Und wieder andere sind von den Rundungen angetan. Sie stellen sich das Hausen im Erdhaus geborgen vor. Passionierte 2000-Watt-Gesellschaftler führen die Energieersparnis ins Feld: Die Erdhäuser sind bestens isoliert, heizen sich im Sommer nicht allzu sehr auf, profitieren im Winter von der Bodenwärme.
Hobbit-Häuser auf der ganzen Welt
Kreiert hat die Häuser an der Lättenstrasse der Architekt Peter Vetsch. Die «Limmattaler Zeitung» porträtierte ihn kürzlich. Er ist 72 und hat in den letzten Jahrzehnten an die 100 Erdhäuser realisiert, in der Schweiz, aber auch in den USA, in Spanien, auf der Krim. Vetsch sieht sein Erdhaus als Beitrag gegen die Zersiedlung, an der Lättenstrasse habe er neun Stück auf einer Fläche von vier bis fünf konventionellen Häusern gebaut. Und gleich noch ein Argument für das Erdhaus: Es altere kaum und sei zeitlos, sagt Vetsch.
Ab und zu fahren in Dietikon übrigens Cars mit Architekturtouristen vor. Der eine oder andere vergisst sich vor Begeisterung und trampelt über Privatgrund. Ein Bewunderer fotografierte sogar einmal durchs Dachfenster einen Bewohner in der Badewanne.
Dieser Artikel erschien im «Tages-Anzeiger» im Rahmen der Serie «Aus der Bauzone».