Zürcher Wohnungsnot: In Zürich gehen Wohnungssuchende teils zu weit

Aktualisiert

Immobilienexpertin«Wohnungssuchende stalken die Vormieter»

Die Betreiberin des «Immomailing»-Newsletters kennt die Sorgen der Wohnungssuchenden in Zürich. Die Zukunft werde alles andere als besser, sagt die Kennerin.

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Wird in Zürich eine bezahlbare Wohnung frei, kommt es oft zu einem riesigen Andrang bei Besichtigungsterminen. 

Wird in Zürich eine bezahlbare Wohnung frei, kommt es oft zu einem riesigen Andrang bei Besichtigungsterminen. 

Tamedia AG/Reto Oeschger
Suchende gehen laut Nadia Loosli teils so weit, dass sie die Vormietenden stalken und aufgrund von Fotos in den Inseraten die Wohnung ausfindig machen und vor der Haustür erscheinen. Auch wenn der offizielle Besichtigungstermin bereits stattgefunden hat. 

Suchende gehen laut Nadia Loosli teils so weit, dass sie die Vormietenden stalken und aufgrund von Fotos in den Inseraten die Wohnung ausfindig machen und vor der Haustür erscheinen. Auch wenn der offizielle Besichtigungstermin bereits stattgefunden hat. 

20min/Marco Zangger
Nadia Loosli, die Betreiberin des «Immomailing»-Newsletters, sagt, dass es in Zukunft noch viel schwieriger wird, eine bezahlbare Wohnung in Zürich zu finden. 

Nadia Loosli, die Betreiberin des «Immomailing»-Newsletters, sagt, dass es in Zukunft noch viel schwieriger wird, eine bezahlbare Wohnung in Zürich zu finden. 

Linda Pollari/lindapollari.com

Wohnungsnot – darum gehts

  • Die Mieten in Zürich werden immer höher.

  • Personen, die mittels Inseraten für eine bezahlbare Wohnung Nachmietende suchen, werden teils gestalkt.

  • Nadia Loosli, Gründerin des Newsletters «Immomailing», sagt, dass Inserierende geschützt werden müssen.

Seit über 20 Jahren erlebt Nadia Loosli, Gründerin des Newsletters «Immomailing», aus nächster Nähe mit, wie sich der Wohnungsmarkt entwickelt und welche Sorgen die Suchenden und auch Vermietenden plagen. Sie sagt: «Eine Besserung auf dem Zürcher Wohnungsmarkt ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die nächsten Jahre werden der Horror.»

Mit ihrem Newsletter erreicht Loosli Tausende Zürcherinnen und Zürcher. Damit hilft sie Wohnungssuchenden sowie Nachmietersuchenden in der Stadt Zürich.

«Verpasst, mehr zu bauen»

Es sind ernüchternde Worte der Kennerin. Vor allem, wenn man die jetzige, prekäre Situation berücksichtigt. Denn ein Blick auf die Leerwohnungsziffer der Stadt Zürich zeigt: Am 1. Juni 2022 standen in der Stadt 161 Wohnungen leer. Zum Vergleich: Das sind um die Hälfte weniger als noch 2021. Die Leerwohnungsziffer sank deutlich von 0,17 auf 0,07 Prozent. Damit hat sich die Wohnungsknappheit in Zürich akzentuiert. Besonders stark war der Rückgang der Leerstände bei bezahlbaren Wohnungen.

Dass es so weit gekommen sei, sei diversen Umständen zu verschulden, sagt Loosli. Ein wesentlicher Faktor ist laut der Zürcherin das «Betongold», wie sie es nennt. «Wer in der Vergangenheit kein Geld verlieren wollte, investierte in Immobilien.» Mit der zunehmenden Bodenknappheit stieg der Preis. «Man hat es in der Vergangenheit auch einfach verpasst, mehr zu bauen.»

Dies ist aber laut der Kennerin nicht das eigentliche Ärgernis. «Der Skandal ist, dass Vermietende sagen können, die Miete werde an die ‹Quartierüblichkeit› angepasst.» Die Vermietenden haben laut Loosli eine grosse Macht, unter der die Bevölkerung leidet. «Es rechtfertigt es nicht, wenn in der Nachbarschaft Mieten höher sind, den Mietpreis anzupassen. Das ist ein Hohn gegenüber allen Mietenden.»

Mehr Schutz bei Massenkündigungen

Lösungen, um dem Druck auf dem Wohnungsmarkt entgegenzuwirken, gibt es vonseiten der Politik einige. Unter anderem diskutiert das Parlament über einen Wohnraumfonds, über das Vorverkaufsrecht – die Gemeinden sollen dabei Grundstücke als Erstes kaufen können – oder das Drittelsziel, welches besagt, dass jede dritte Wohnung bis 2050 eine gemeinnützige Mietwohnung sein muss.

Laut Loosli sind dies aber alles eher utopische Lösungen. «Man müsste auch die Immobilienbesitzerinnen und -besitzer mehr in die Pflicht nehmen. Denn was sie machen, ist verantwortungslos.» Auf der anderen Seite müssten die Mietenden noch besser geschützt werden. «Bei Massenkündigung müsste die Kündigungsfrist mindestens fünf Jahre betragen. Denn niemand kann mir weismachen, dass Immobilienfirmen nicht im Voraus planen.»

Wer Nachmieter sucht, muss geschützt werden

Die Kennerin des Zürcher Wohnungsmarktes sagt aber auch, dass solche Personen, die einen Nachmieter für ihre Wohnung suchen, ebenfalls geschützt werden müssen. «Die Suchenden beginnen, die Inserierenden zu stalken. Nicht selten kam es vor, dass verzweifelte Personen unangemeldet bei meinen Inserenten vor der Wohnung standen, in der Hoffnung, doch noch die Wohnung besichtigen zu können, obwohl sie keinen Besichtigungstermin ergattern konnten», sagt Loosli.

Die Zürcherin achtet daher ganz genau darauf, dass die Inserate auf ihrem Mailing möglichst anonymisiert sind. «Am besten auch keine Bilder der Fassade oder von Fenstern zeigen, bei denen ersichtlich ist, wo man lebt.» 

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