Obergericht ZürichWucher-Vermieterin muss nicht ins Gefängnis
Eine 58-Jährige ist vom Obergericht wegen gewerbsmässigem Wucher verurteilt worden. Sie hat Zimmer zu überrissenen Preisen an Asylbewerber vermietet.

- von
- Stefan Hohler
Darum gehts
Eine 58-jährige Chinesin ist des Wuchers angeklagt.
Die Frau soll für Zimmer an Asylbewerber überrissene Mietzinse verlangt haben.
Ihr Anwalt verneint eine Notlage und verlangt einen Freispruch.
Das Obergericht verurteilt sie zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten.
Die heute 58-jährige Chinesin hat drei Wohnungen in Zürich und Spreitenbach AG zwischen 2010 und 2017 zu krass überhöhten Mietzinsen vornehmlich an Asylbewerbern und Sozialhilfeempfänger untervermietet. Laut Anklageschrift erwirtschaftete sie dabei einen unrechtmässige Gewinn von 110’000 Franken. So hat sie eine 165 Quadratmeter grosse Fünfzimmerwohnung an der Badenerstrasse in Altstetten für 3850 Franken gemietet. Dann liess sie in der Wohnung Trennwände einbauen, dass elf abschliessbare Zimmer entstanden. Diese vermietete sie für monatlich 900 Franken, wobei die elf Mieter sich ein Bad, eine Toilette und eine Küche teilen mussten.
Auch Im Isengrind in Affoltern und in Spreitenbach vermietete sie zwei Eigentumswohnungen – die ihr und ihrem inzwischen getrennten Ehemann gehören – für ähnliche überrissene Mietpreise. Neben baulichen Mängeln waren die Wohnungen auch in einem hygienisch schlechten Zustand. In der Anklageschrift ist von Schimmelbefall, Schaben und Ratten die Rede.
Chinesin will Freispruch
Am Prozess vom Donnerstag vor dem Obergericht verlangte die Frau einen Freispruch: «Ich bin unschuldig.» Sie bestritt die Wuchervorwürfe, es habe sich um ortsübliche Mietzinse gehandelt. Das Bezirksgericht Zürich hat sie im April 2021 zu einer Freiheitsstrafe von 33 Monaten verurteilt, wovon sie elf Monate absitzen soll. Ihr Verteidiger verlangte einen Freispruch. Niemand sei verpflichtet gewesen, dort zu wohnen. «Keiner der Mieter hat sich in einer Not- oder Zwangslage befunden.» Sie seien selber verantwortlich für die Sauberkeit der Räumlichkeiten gewesen. Der Anwalt verlangte auch die Rückgabe der beschlagnahmten Gelder in der Höhe von 88’000 Franken.
Die Frau hat in China Maschinenbau studiert und dort als Ingenieurin in einer Maschinenfabrik gearbeitet. Im Jahr 2001 kam sie in die Schweiz, wo sie zuerst in einem Büro arbeitete. Nach längerer Arbeitslosigkeit bot sie ab 2010 an der Badenerstrasse Massagen an und vermietete später die Wohnung vornehmlich an Asylbewerber aus Eritrea. «Ich habe in der Zeitung von diesem Geschäftsmodell gelesen», sagte sie. Der Fall war aufgeflogen, als im November 2015 bei der Stadtpolizei Zürich ein anonymes Schreiben einging. Darin war von illegal anwesende Personen in der Liegenschaft an der Badenerstrasse die Rede und von katastrophalen hygienischen Zuständen.
88’000 Franken werden eingezogen
Das Obergericht reduzierte die Strafe und verurteilte die Frau zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten. Sie muss also nicht ins Gefängnis, wie die Vorinstanz noch entschieden hat. Zudem werden die 88’000 Franken, welche auf zwei Bankkonti sichergestellt werden konnten, zur Deckung der Gerichts-und Untersuchungskosten eingezogen. «Der Grossteil der Mieter hätte auf dem Wohnungsmarkt keine Chance gehabt eine Wohnung zu finden», sagte der vorsitzende Richter. Die Mieter seien aus dem schwächsten sozialen Umfeld gekommen. Es habe sich um gewerbsmässigen Wucher gehandelt, es sei eine Zwangslage ausgenutzt worden. «Sie haben verwerflich gehandelt», so der Richter.
Der Fall hat Parallelen zu den sogenannten Gammelhäusern im Kreis 4. Der Küsnachter Besitzer hat drei Liegenschaften zu überrissenen Mietpreisen an Sozialhilfebezüger und Randständige vermietet. Der geständige Mann wurde im Juli 2020 vom Bezirksgericht Zürich im abgekürzten Verfahren zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.
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