Jude bespucktZürcher Obergericht halbiert Strafe für Neonazi
Kevin G. (31) soll einen Juden bespuckt und ihm den Hitlergruss gezeigt haben. Das Obergericht hat ihn zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.
Das Zürcher Obergericht hat am Dienstag den Zürcher Oberländer Kevin G.* wegen Rassendiskriminierung schuldig gesprochen. Es verhängte eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten, die der Mann absitzen muss. Damit halbierte die zweite Instanz das Strafmass des Bezirksgerichts Zürich vom März 2018. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten gefordert.
Im Hauptanklagepunkt Rassendiskriminierung kam das Gericht zu einem Schuldspruch, vom Vorwurf der Tätlichkeiten dagegen sprach es den 31-Jährigen frei. Für zwei frühere, bedingt ausgesprochene Strafen verlängerten die Oberrichter die Probezeit. Dem Geschädigten hat der Mann eine Genugtuung von 3000 Franken zu entrichten.
Orthodoxen Juden angespuckt und beschimpft
Der Beschuldigte hatte stets abgestritten, jener Mann gewesen zu sein, der Anfang Juli 2015 in Zürich einen orthodoxen Juden angespuckt und übel beschimpft hatte. Er machte eine Verwechslung geltend. Die Verteidigung plädierte deshalb auf Freispruch.
Für das Gericht gab es aber keinen Zweifel, dass der 31-Jährige der Täter war: Der Angegriffene hatte ihn unmittelbar nach dem Angriff gegenüber der Polizei als den «Spucker» bezeichnet. Zudem gab es Augenzeugen. Auch für die Polizisten sei die Täterschaft damals so klar gewesen, dass sie darauf verzichtet hätten, Speichelproben von Kleidern und Hut des Bespuckten zu nehmen.
Kein Zweifel an Täterschaft
Eine DNA-Probe im Hinblick auf künftige Delikte lehnte das Obergericht ab. Dafür gebe es keine gesetzliche Grundlage bei einem Vergehen. Das Bezirksgericht hatte eine solche Probe auf Forderung der Anklage angeordnet.
Beim Vorfall im Juli 2015 hatte der Beschuldigte auch den Hitlergruss gezeigt. Für das Gericht hat er damit jedoch nicht Werbung für den Nationalsozialismus gemacht. In Übereinstimmung mit dem Bundesgericht kamen die Oberrichter zum Schluss, dass eine solche Geste zwar die eigene Gesinnung ausdrücke, aber nicht als Propaganda für die Nazi-Ideologie zu werten sei.
Gesinnung ist nicht strafbar
Gegenüber dem Gericht hatte der Beschuldigte betont, er habe sich geändert. Er habe heute andere Prioritäten als früher – damals «hatte ich nicht viel Respekt», vor nichts. Inzwischen habe er eine Tochter, und Vater zu sein, sei für ihn heute das Wichtigste. Um das zu unterstreichen, herzte er das Baby im Gerichtsfoyer ausführlich.
Dass er nicht mehr der Nazi-Gesinnung anhänge, sagte er allerdings nicht. Eine Gesinnung als solche sei aber nicht strafbar, erklärte der Verteidiger. Der Beschuldigte war als Frontsänger der Rechtsrock-Band Amok bekannt geworden. Dort singe er nicht mehr, die Band habe sich aufgelöst, sagte er. Schon vor Jahren hatte die Band einmal bekanntgegeben, sie sei nicht mehr aktiv. Dennoch produzierte sie weiterhin Alben und hatte Auftritte.
«Nehmen Sie die zweite Chance wahr»
Immerhin: Auch dem Obergericht scheine es, der Beschuldigte habe sich seit Sommer 2015 «zum Besseren verändert», sagte der Vorsitzende. Wie nachhaltig diese Veränderung sei, könne man zwar nicht sagen. Es sei aber zu hoffen, dass es zu keinen weiteren Vorfällen komme.
Die unbedingte 12-monatige Freiheitsstrafe berücksichtige die lange Verfahrensdauer und die mediale Vorverurteilung. Voraussichtlich könne er sie in Halbgefangenschaft absitzen. So falle er nicht aus seinem beruflichen und sozialen Netz heraus. Das Gericht gebe ihm damit eine zweite Chance, sagte der Vorsitzende – «nehmen Sie sie wahr». Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (20 Minuten/sda)