Microbiota Vault: In Zürich wird nun Kot eingelagert

Aktualisiert

ZürichUni Zürich bunkert jetzt Kot – aus gutem Grund

Normalerweise ist man froh, seinen Kot loszuwerden. Anders sieht das an der Universität Zürich aus. Dort sammelt man jetzt menschliche Exkremente. Grund: Die Vielfalt der Darmmikroben schwindet dramatisch.

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Für die meisten Menschen ist das grosse Geschäft abgehakt, sobald es erledigt ist. 

Für die meisten Menschen ist das grosse Geschäft abgehakt, sobald es erledigt ist. 

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Nicht so für gewisse Forschende der Universität Zürich. Hier beschäftigen sich einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem, was sonst achtlos in die Kanalisation gespült wird: mit menschlichem Kot.

Nicht so für gewisse Forschende der Universität Zürich. Hier beschäftigen sich einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem, was sonst achtlos in die Kanalisation gespült wird: mit menschlichem Kot.

Universität Zürich/Frank Brüderli
Konkret interessieren sie die Darmmikroben, die millionenfach in ihm stecken. Die sind für unsere Gesundheit enorm wichtig. Schliesslich sind sie ein wichtiger Teil der Immunabwehr und des Immunsystems. Zumindest noch. Denn die Vielfalt schwindet und auch ihre Zahl nimmt dramatisch ab.

Konkret interessieren sie die Darmmikroben, die millionenfach in ihm stecken. Die sind für unsere Gesundheit enorm wichtig. Schliesslich sind sie ein wichtiger Teil der Immunabwehr und des Immunsystems. Zumindest noch. Denn die Vielfalt schwindet und auch ihre Zahl nimmt dramatisch ab.

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Darum gehts

  • An der Universität Zürich gibt es neu einen Kotbunker, offiziell wird das Projekt Microbiota Vault genannt.

  • In diesem sollen menschliche Darmmikroben für die Zukunft eingelagert werden. 

  • Das ist notwendig, weil in unseren Därmen die Zahl dramatisch abnimmt.

  • Schuld an der Abnahme sind wahrscheinlich unter anderem unsere Lebensweise und Medikamente wie Antiobiotika.

Wer für die Biobank für Darmmikroben an der Universität Zürich arbeitet, dürfte oft Fragen beantworten müssen. Denn hier beschäftigen sich die Angestellten mit dem, was die Menschen Tag für Tag auf der Toilette loswerden: menschlichem Stuhl, zumindest Proben davon. Aufbewahrt werden die Exkremente in etwa drei Zentimeter langen Röhrchen.

Warum lagert man Kot ein?

Was merkwürdig und in manchen Ohren sogar lustig klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Die Forschenden interessieren sich weniger für den Kot selbst als für die Darmmikroben, die millionenfach in ihm stecken. Die sind für unsere Gesundheit enorm wichtig. Schliesslich sind sie ein wichtiger Teil der Immunabwehr und des Immunsystems. Zumindest noch. Denn die Vielfalt schwindet und auch ihre Zahl nimmt dramatisch ab. «Unser Mikrobiom verarmt. Ohne dass wir es bemerken, tobt ein stilles Artensterben in unseren Körpern», erklärt USZ-Mikrobiologe Adrian Egli gegenüber Nzz.ch (Bezahlartikel). Dies vor allem in der westlichen Zivilisation. Die vielfältigste Ansammlung von Mikroben fand die südamerikanische Mikrobiologin Maria Gloria Dominguez-Bello vor einigen Jahren im Darm eines indigenen Volkes im Amazonasgebiet.

Damit die Mikroben nicht gänzlich verloren gehen, werden sie im sogenannten Kotbunker der Universität Zürich eingelagert. Schliesslich könnten uns einige von ihnen vor Krankheiten schützen oder andere Funktionen haben: «Wir müssen sie bewahren – vielleicht können wir sie dann in Jahrzehnten wieder auswildern», erklärt Egli. Möglich machen soll das die «Arche Noah für Mikroorganismen».

Wo kommt der Kot her?

Künftig aus aller Welt. Doch das dauert noch. Bislang haben erst etwas mehr als 2000 Menschen Stuhlproben abgegeben. Damit sich das ändert, braucht es laut Egli die Zusammenarbeit von Forschungsgruppen aus aller Welt. Er hofft, dass man in zehn Jahren entsprechend vernetzt sei.

Warum braucht es ein internationales Kotnetzwerk?

Vor allem für die Beschaffung des wertvollen und heiklen Materials. Dieses muss nämlich möglichst frisch konserviert werden. Sonst ändert sich die Bakterienzusammensetzung unwiederbringlich. Schon 20 Minuten bei Raumtemperatur reichen aus, um die Probe stark zu verfremden. Sie einfach in einen Briefumschlag zu stecken und per Post zu versenden, ist deshalb nicht möglich. Am besten sei es, wenn die Spender und Spenderinnen direkt an die Hochschulen kommen, so Egli. Wo das nicht möglich ist, müssten sich die Forschenden etwas einfallen lassen: «In Amazonien ist eine Forscherin mit dem Helikopter zu indigenen Völkern geflogen und hat deren Stuhlproben sofort in flüssigen Stickstoff getaucht, den sie im Helikopter transportiert hat. So war der Kot haltbar bis zum Einfrieren.»

Apropos einfrieren: Wie wird der Kot in Zürich konserviert?

Man habe verschiedene Varianten getestet, 16 an der Zahl. Unter anderem die Gefriertrocknung und die Zugabe von Nährstoffen. Entschieden hat man sich schlussendlich für die Aufbewahrung in Röhrchen, die bei minus 80 Grad eingefroren werden. So sollen sie Jahrzehnte überdauern.

Ist die Beschäftigung mit Kot und Darmmikroben neu?

Nein. Bereits jetzt wird Personen, die aufgrund einer Besiedelung mit dem Bakterium Clostridium difficile an einer schlimmen Darmentzündung leiden, der Stuhl von gesunden Menschen transplantiert – entweder per medizinischem Eingriff oder in Form einer Kapsel. «Mikrobiom-Transfer» nennen das Fachleute. Als Mikrobiom wird die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Darm bezeichnet.

Auch beim sogenannten Eigenbrauer-Syndrom kann die Stuhl-Verpflanzung helfen. Wie Nzz.ch schreibt, kommt Kot auch in Begleitung mancher Krebstherapien zum Einsatz, «weil für die Behandlung von einigen Krebsarten eine bestimmte Zusammensetzung von Darmbakterien hilfreich ist.»

Verhältnismässig neu ist dagegen die Idee vom Kotbunker. Sie ist angelehnt an den Samenbunker Svalbard Global Seed Vault in Norwegen. Dort lagern seit 2008 gut 250 Millionen Samen von 850'000 Saatgut-Sorten aus der ganzen Welt. Dieser Tresor soll die Pflanzenvielfalt für die Zukunft retten. Zürichs Bunker für Darmmikroben läuft unter dem Namen Microbiota Vault. Die Idee eines solchen Backup-Tresors war erstmals 2018 im Fachjournal «Science» veröffentlicht worden.

Warum schwindet unser Mikrobiom eigentlich?

Das ist noch nicht ganz geklärt. Eine Rolle spielen wahrscheinlich eine westliche Lebensweise, fortschreitende Urbanisierung und Umweltveränderungen. Aber auch die Ernährung und die Einnahme von Medikamenten – allen voran Antibiotika – gelten als mitverantwortlich.

Es lohnt sich übrigens auch, den eigenen Stuhl hin und wieder genau anzusehen. Denn er gibt einiges über unsere Ernährung und unseren Gesundheitszustand preis. Wie du Farbe, Form und Konsistenz deines Kots richtig interpretierst, verrät die folgende Bildstrecke. Dort erfährst du auch, wann du dringend zum Arzt solltest.

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So unschön es klingt: Es lohnt sich, einmal einen genauen Blick auf seine Ausscheidungen zu werfen, denn Aussehen, Geruch, Beschaffenheit, Menge und Zusammensetzung von Kot können tatsächlich wichtige Hinweise auf Krankheiten geben.

So unschön es klingt: Es lohnt sich, einmal einen genauen Blick auf seine Ausscheidungen zu werfen, denn Aussehen, Geruch, Beschaffenheit, Menge und Zusammensetzung von Kot können tatsächlich wichtige Hinweise auf Krankheiten geben.

Imgur/Wikipedia/Flickr
Normal und gesund ist ein weicher, geschmeidiger und dennoch geformter Stuhl. Was und wie viel genau rauskommt, hängt jedoch immer von der Ernährung ab. (Im Bild die Skulptur «Shit Fountain» in Chicago.)

Normal und gesund ist ein weicher, geschmeidiger und dennoch geformter Stuhl. Was und wie viel genau rauskommt, hängt jedoch immer von der Ernährung ab. (Im Bild die Skulptur «Shit Fountain» in Chicago.)

Wikimedia Commons/Innes5/CC BY-SA 2.5
Werden im Schnitt 60 bis 250 Gramm Kot ausgeschieden, können es bei einer Diät auch weniger sein. Vegetarierinnen und Vegetarier scheiden wegen der vielen Ballaststoffe in ihrer Nahrung dafür etwas mehr aus.

Werden im Schnitt 60 bis 250 Gramm Kot ausgeschieden, können es bei einer Diät auch weniger sein. Vegetarierinnen und Vegetarier scheiden wegen der vielen Ballaststoffe in ihrer Nahrung dafür etwas mehr aus.

Unsplash

Schaust du dir deinen Kot hin und wieder genau an? 

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