Brian Boucher: Zugs neuer Lars Weibel - ein Meister-Goalie?

Aktualisiert

Brian BoucherZugs neuer Lars Weibel - ein Meister-Goalie?

Torhüter Brian Boucher (36) kommt zum EV Zug: Der Amerikaner ist der interessanteste ausländische NLA-Goalie des 21. Jahrhunderts.

Klaus Zaugg
von
Klaus Zaugg

Fünfmal in Serie im Halbfinale. Da ist die zentrale Frage: Warum hat es Doug Shedden nie bis ins Finale oder gar zum Titel gereich?

Die polemische Antwort auf diese Frage: Weil der Torhüter für die höhere Weihe nie gut genug war. In erster Linie gilt diese Kritik dem Finnen Jussi Markkanen. Seine Playoff-Abwehrquote in den letzten vier Jahren: 89,50, 88,80, 88,20 und letzte Saison 92,10 Prozent. Im letzten Frühjahr kamen die Zuger mit einem Markkanen, der zeitweise sein bestes Hockey spielte, im Halbfinale gegen den SC Bern einer Finalqualifikation und einem Meistertitel so nahe wie nie mehr seit dem letzten Meistertitel von 1998. Leider zeigte Markkanen in diesem Halbfinale ausgerechnet im 7. Spiel in Bern (1:4) mit einer Fangquote von 86,67 Prozent seine schwächste Leistung. Neutrale Beobachter sind sich einig: Hätten die Zuger das Finale erreicht, wären sie gegen Gottéron Meister geworden.

Wie gut ist nun Jussi Markkanens Nachfolger Brian Boucher?

Die Antwort auf diese Frage kann die nächste Meisterschaft entscheiden. Am treffendsten ist wohl die Bezeichnung: «Amerikas Antwort auf Lars Weibel.» Weibel galt früh als Jahrhundert-Talent, blieb dieser Einschätzung während Jahren fast alles schuldig, reifte erst in Davos unter Arno Del Curto zum Meistergoalie und verkrachte sich im Karriere-Herbst in Zug mit Trainer Doug Shedden. Weibel galt als kauzig-charismatischer Einzelgänger, der Spiele im Alleingang gewinnen und verlieren konnte.

Brian Boucher (188 cm/90 kg) ist grösser und schwerer als Lars Weibel (185 cm/86 kg). Aber es gibt durchaus eine interessante Parallele: Auch der Amerikaner galt als Jahrhunderttalent und wurde diesem Ruf nicht immer gerecht. Die Philadelphia Flyers zogen ihn 1995 bereits in der ersten Runde (Nr. 22), transferierten ihn aber 2002 nach Phoenix. Dort erlebte er in der Saison 2003/04 eine Sternstunde mit fünf Spielen hintereinander (332 Minuten und eine Sekunde) ohne Gegentreffer: 4:0 gegen Los Angeles, 6:0 gegen Dallas, 3:0 gegen Carolina, 3:0 gegen Washington und 2:0 gegen Minnesota. Die Serie wurde gegen Atlanta durch ein Eigentor von Dave Tanabe nach 6 Minuten und 16 Sekunden beendet.

Rekordhalter in der NHL

Brian Boucher hält damit den NHL-Rekord für die Neuzeit. Länger hielten nur Alex Connell (461:29 Min) 1927 für Ottawa und George Hainsworth (343:05 Min.) 1929 für Montreal ihren Kasten rein. Doch auf den Rekord folgte eine Tour durch die NHL mit miserablen Fangquoten: Calgary (88,40 %), Chicago (88,40 %), Columbus (86,60 %) und Carolina (88,10 %). Nur bei Philadelphia und San José kam er noch über 90 %. Letzte Saison waren es in Philadelphia allerdings auch nur noch 89,10 Prozent.

Lottertorhüter oder Meistergoalie? Bei Brian Boucher, dem interessantesten ausländischen NLA-Goalie des 21. Jahrhunderts, ist alles möglich. So wie auch bei Lars Weibel alles möglich war. In einem Jahr wird Bouchers Abenteuer Zug so oder so vorbei sein: Im Frühjahr 2014 kommt ja Servettes Nationaltorhüter Tobias Stephan nach Zug.

Vier Ausänder aus gleichem Kulturkreis

Ein Titelgewinn im Frühjahr 2014 ist jedoch nicht ganz ausgeschlossen und würde den tüchtigen Sportchef Jakub Horak arg in Not bringen: Er müsste dann mit Brian Boucher einen Meistergoalie wegschicken weil er mit Tobias Stephan bereits einen Torhüter unter Vertrag genommen hat, der noch nie etwas gewonnen hat. Was die Zuger meisterverdächtig macht: Sie haben alle vier Ausländer aus dem gleichen Kulturkreis.

Der Trainer und die Ausländer sollten an die gleiche Hockeyphilosophie glauben. So gesehen hat Zug seine Ausländerpositionen mit vier Nordamerikanern ideal besetzt: Der Kanadier Josh Holden (35) hat nun mit Brian Boucher (33), mit dem kräftigen Ab- und Aufräumer Andrew Hutchinson (33) in der Abwehr und dem launischen Stürmergenie Rob Schremp (27) drei amerikanische Spielkameraden. Mit diesen Ausländern ist die Stilrichtung vorgegeben: Gepflegtes und, wenn Brian Boucher sein bestes Hockey spielt, vielleicht gar meisterliches Rumpelhockey.

Deine Meinung