Nach Mursis Sturz: «Zweite Chance» für Demokratie in Ägypten

Aktualisiert

Nach Mursis Sturz«Zweite Chance» für Demokratie in Ägypten

Mit US-Vizeaussenminister William Burns hat der erste westliche Regierungsvertreter Ägypten besucht, nachdem das Militär den Ex-Präsidenten Mohammed Mursi von der Macht geputscht hatte.

Auf diesem Bild, das der ägyptische Armeesprecher via Facebook verbreitet hat, spricht der US-Vizeaussenminister William Burns (links) mit dem Verteidigungsminister Ägyptens, General Abdel-Fattah el-Sissi.

Auf diesem Bild, das der ägyptische Armeesprecher via Facebook verbreitet hat, spricht der US-Vizeaussenminister William Burns (links) mit dem Verteidigungsminister Ägyptens, General Abdel-Fattah el-Sissi.

Die USA wollen bei dem politischen Konflikt zwischen weltlichen und islamischen Kräften neutral bleiben, das Land aber bei seiner «zweiten Chance» zur Demokratie unterstützen. Das erklärte der stellvertretende US-Aussenminister William Burns nach Treffen mit der vom Militär eingesetzten Übergangsregierung am Montag in Kairo.

Burns war der ranghöchste US-Diplomat, der seit dem Sturz des vor zwei Wochen abgesetzten Präsidenten Mohammed Mursi Ägypten besuchte. Es sei nicht die Politik Washingtons, als «Aussenstehende bestimmte politische Persönlichkeiten oder Partei zu unterstützen», sagte Burns. «Was wir weiterhin zu tun versuchen werden ist, einen offenen, integrierenden, toleranten demokratischen Prozess zu unterstützen», fügte er hinzu. «Wir hoffen, es wird eine Chance sein, einige Lektionen zu lernen und einige der Fehler der vergangenen zwei Jahre zu korrigieren.»

Proteste von Mursi-Anhängern

Burns traf am Montag mit Übergangspräsident Adli Mansur, dem designierten Ministerpräsidenten Hasem al Beblawi und Armeechef Abdel-Fattah al-Sisi zusammen. Während seines Aufenthalts demonstrierten erneut Tausende Anhänger Mursis für dessen Rückkehr ins höchst Staatsamt. Demonstranten steckten Reifen in Brand, warfen Steine und blockierten den Verkehr auf einer Hauptstrasse im Zentrum der Hauptstadt. Die Polizei setzte Tränengas ein.

William Burns verurteilte die jüngsten Angriffe von Islamisten auf der Sinai-Halbinsel. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass Ägypten trotz der teilweise gewaltsamen Massenproteste das Schicksal des vom Bürgerkrieg geplagten Syrien erspart bleibt. «Ich denke nicht, dass Ägypten Gefahr läuft, die Tragödie zu wiederholen, die wir in Syrien heute sehen», sagte der US-Diplomat.

Burns warnt Militär vor politisch motivierten Festnahmen

Zugleich rief er das Militär auf, keine politisch motivierten Festnahmen vorzunehmen. «Wenn die Vertreter einer der grössten Parteien in Ägypten festgenommen oder ausgeschlossen sind, wie sind dann Dialog und Teilnahme möglich», sagte Burns.

Die massgeblich an den Protesten gegen Mursi beteiligte Tamarod-Bewegung weigerte sich dagegen, einer Einladung zu einem Gespräch mit Burns zu folgen. Washington habe nicht von Anfang an auf der Seite des ägyptischen Volkes gestanden, sagte ein Vertreter der Gruppe, Islam Hammam, der Nachrichtenagentur AFP.

USA fordert Mursis Freilassung

Die USA verlangen die Freilassung Mursis. Dieser wird seit seiner Entmachtung vom Militär an einem unbekannten Ort und ohne formelle Anklage festgehalten. Zudem ordnete die Staatsanwaltschaft am Montag die Festnahme von sieben führenden Muslimbrüdern und Islamisten an.

Als Grund nannte sie die Gewalt zwischen Anhängern und Gegnern der Islamisten rund um Mursis Sturz. Die Behörde wirft ihnen Anstiftung zur Gewalt, Förderung von Gewalttaten und rücksichtsloses Vorgehen vor.

Auch UNO fordert Lösung

Die USA unterstützen Ägypten mit jährlichen Hilfen in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar. Davon sind 1,3 Milliarden Dollar für das Militär bestimmt. Diese Zahlungen müssten nach US-Rechtslage eingestellt werden, falls Washington den Umsturz als Militärputsch einstuft.

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon und Frankreichs Staatschef François Hollande forderten Ägypten unterdessen auf, eine politische Lösung für die Staatskrise in ihrem Land zu finden. Ägypten befinde sich an einem «kritischen Wendepunkt», sagte Ban nach einem Treffen mit Hollande in Paris.

Übergangsregierung guten Mutes

Die ägyptische Übergangsregierung sieht sich derweil dank der Finanzhilfen arabischer Staaten gut aufgestellt und will vorerst weder Verhandlungen mit dem IWF führen noch etwa Russland um Weizenlieferungen bitten.

«Die arabische Hilfe ermöglicht es Ägypten, die Übergangsphase gut zu überstehen», sagte der alte und neue Planungsminister Aschraf al-Arabi vor Journalisten in Kairo. Versorgungsminister Mohammed Abu Schadi sagte, es gebe keine Engpässe bei wichtigen Gütern.

Drei Golfstaaten haben Ägypten nach dem Sturz Mursis zusammen zwölf Milliarden Dollar zugesagt, um dem Land auf die Beine zu helfen.

Unterstützung von Sawiris

Auch aus der Privatwirtschaft gibt es Signale für die Unterstützung der neuen Führung. Der Milliardär Naguib Sawiris sagte Reuters in einem Telefoninterview, er und seine Familie würden in Ägypten in bislang ungekanntem Ausmass investieren.

Die Familie des prominenten Christen und Mursi-Kritikers kontrolliert die Orascom-Unternehmensgruppe, die einer der grössten privaten Arbeitgeber in Ägypten ist. (sda)

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