Brand Rhodos

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Keine Hilfe«Bleibt nicht stehen» – Tausende flüchten auf eigene Faust vor dem Feuer

Zehntausende Menschen fliehen auf Rhodos vor Waldbränden. Reiseveranstalter und die Behörden scheinen überfordert. Viele flohen deshalb auf eigene Faust.

Hunderte müssen zu Fuss vor dem Feuer flüchten.20min/Nora Haider

Darum gehts

  • Die auf Rhodos wütenden Waldbrände treiben Zehntausende Menschen in die Flucht. 
  • Viele beklagen sich über fehlende Information und Hilfe und fliehen auf eigene Faust. 
  • Betroffene schildern ihre Flucht, Bilder zeigen dichte Rauchschwaden über dem Strand, zu dem viele geflohen sind. 
  • Das EDA sagt, die Personen vor Ort seien grundsätzlich selbst für ihre Abreise verantwortlich. Es gebe nach wie vor Flüge von und nach Rhodos. Die EDA-Helpline sei 24 Stunden am Tag erreichbar. 

Es ist die grösste Evakuierungsaktion in der Geschichte Griechenlands: Auf der Ferieninsel Rhodos flüchten rund 19’000 Menschen vor einem Waldbrand, der in der Inselmitte ausgebrochen ist. Touristinnen und Touristen werden mit Bussen in andere Hotels, in Turnhallen oder in Schulgebäude gebracht.

Doch das klappt längst nicht überall. Eine Leserin schreibt am Sonntag: «Wir waren gestern in Rhodos und mussten vor dem Waldbrand flüchten. Die Evakuierung fand erst statt, nachdem unser Hotel schon angefangen hatte zu brennen. Die einzige Anweisung war: einfach weiter laufen und nicht stehen bleiben.»

«Trotz Sirene badeten die Leute frisch-fröhlich im Pool»

Eine besorgte Mutter schreibt: «Meine Kinder sind auf Rhodos und kommen nicht weg. Sie sind selber aus ihrem Hotel geflüchtet und jetzt in einem anderen Hotel im Süden, doch es gibt keine Hilfe und sie haben keine Möglichkeit, zum Flughafen zu kommen.»

Auch in den Hotels habe das Informieren der Gäste teils nicht geklappt. «Obwohl seit 20 Minuten die Sirenen heulten und Löschflugzeuge über der Anlage kreisten, badeten die Gäste frisch-fröhlich im Pool weiter», schreibt ein News-Scout. Dann habe es plötzlich geheissen, in zehn Minuten müsse alles evakuiert sein.

«Die Evakuierung war ein Albtraum»: Videos zeigen, wie sich viele Menschen, die zu Fuss geflüchtet sind, am Strand versammeln. 20min/Nora Haider

Flucht zu Fuss bei brütender Hitze

«Wir sollten zu Fuss bei brütender Hitze einen Kilometer nach Lindos laufen – und das mit einem drei- und einem sechsjährigen Kind. Wir sind fast kollabiert, bis uns eine Griechin mit dem Auto mitgenommen und zu einem Sammelplatz gefahren hat.» Dort habe es aber während Stunden weder Wasser noch Essen oder Informationen gegeben, so der News-Scout weiter.

Die Menschen hätten den Laden in der Nähe leergekauft. «Dann kam per Zufall ein Car zu der Sporthalle, in der wir waren. Dieser reichte aber nicht einmal für die Hälfte der Geflüchteten. Nach und nach kamen dann Matratzen und weitere Materialien an, es fehlt aber immer noch an allem. Die Menschen liegen kreuz und quer in der Halle und teilen sich die Matratzen.»

Menschen schützen sich mit Tüchern vor Rauch

Auch in den sozialen Medien gibt es diverse Videos von Menschen, die auf eigene Faust bis zum Strand geflüchtet sind. Sie halten sich Tücher vor die Gesichter, dichte Rauchschwaden ziehen über sie hinweg.

Viele fühlen sich vom Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten und den lokalen Behörden im Stich gelassen. Beim EDA heisst es auf Anfrage: «Das EDA verfolgt die Situation aufmerksam, die Schweizer Botschaft steht in Kontakt mit den zuständigen Behörden.» Rund 100 Anfragen zur Lage auf Rhodos habe die EDA-Helpline und die Vertretung vor Ort bisher beantwortet, darunter auch von Personen, die sich auf der Insel befinden. Unter den evakuierten Personen befänden sich auch Schweizerinnen und Schweizer.

EDA: «Reisende sind grundsätzlich selbst verantwortlich»

Die Menschen vor Ort seien angehalten, die Anweisungen der lokalen Behörden zu befolgen.  Die lokalen Behörden haben zwei Hotlines für ausländische Bürger und Bürgerinnen eingerichtet: +30 210 368 12 59 / +30 210 368 13 50. In dringenden Fällen könne die EDA-Helpline in Bern unter +41 800 24 7 365 rund um die Uhr kontaktiert werden.

Grundsätzlich gilt in solchen Fällen, dass Schweizer Staatsangehörige sich selbstständig über die Lage informieren müssen. Der Entscheid über die Durchführung oder den Abbruch einer Reise liegt immer im Ermessen und der Verantwortung der Reisenden selbst, die Schweiz führt keine Repatriierungsflüge durch.

Lea Zürcher von der EDA-Kommunikation sagt: «Es bestehen weiterhin Reiseverbindungen von und nach Rhodos. Es ist lediglich ein Teil der Insel von den Bränden betroffen. Die Betroffenen können ihre Rückkehr selbstständig organisieren.» Auch Schweizer Hilfe bei der Brandbekämpfung sei derzeit nicht angefragt worden. «Die griechischen Behörden haben hauptsächlich auf den europäischen Zivilschutzmechanismus zurückgegriffen. Wir stehen in Kontakt mit den griechischen Behörden», so Zürcher weiter.

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Daniel Graf (dgr) arbeitet seit 2020 für 20 Minuten. Er ist Leiter des Ressorts News, Wirtschaft & Videoreportagen und seit September 2023 Mitglied der Redaktionsleitung.

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